Auf dem Holzweg

Ich war hoch oben auf der Leiter, verschwitzt und mit Farbe beschmiert: das Streichen vom Sichtschutz-Flechtzaun stand an.
Tamara, die zehnjährige Nachbarstochter spielte im Garten mit ihren Hasen. (Bevor wir eingezogen waren, wurde das Mädchen zusammen mit ihrer ganzen Familie durch unsere Vorgänger regelrecht terrorisiert. Wenn man glaubt, Mobbing ist eine moderne, auf das Arbeitsleben beschränkte Erscheinung, dann hat man keine Ahnung vom Leben in einer Neubausiedlung auf dem Lande. Jedenfalls, die Kleine war total eingeschüchtert und bekam grosse Probleme in der Schule. Es hatte fast ein Jahr gedauert, bis sie mit uns warm wurde)
Es dünkte mich, als hätte sie den schwarzen Hasen “Otello” (oder so ähnlich) genannt. Das hielt ich aber für besonders witzig! Ich wartete so lange, bis sich meine Vermutung bestätigt hatte, dann fragte ich sie von da oben im Scherzton: “Und wie heisst der weisse Hase? Desdemona oder Jago?”
“Wieso? Nee, Speedy” sagte Tamara überrascht. “Er ist ganz schwer zu fangen, ich zeig’s Dir. Komm her, Du Strolch! Wird’s bald? Willst Du Dich etwa mit mir anlegen?” Nach einigen Sprints konnte sie ihn nun doch erwischen. Er war in der Tat schnell, dieser “Speedy”!
Ein furchtbarer Verdacht kam bei mir auf. Ich hielt den Mund und schickte am gleichen Tag meine Quasitochter Sinah in geheimer Mission zu den Nachbarn. Sie sollte herausfinden, wie der Hase zum Namen “Otello” (oder so ähnlich) gekommen war.
Traurig, aber wahr: es stellte sich heraus, dass mein Verdacht begründet war. Der Vater des Mädchens war in der Tat Kunde bei o.tel.o (Sie wissen‘s ja: “For a Better Understanding”.)