Heuchelei

Der deutsche Titel des Buches von Agatha Christie “Zehn kleine Negerlein” soll nun auch – dem englischen Beispiel folgend – geändert werden: “Und dann waren sie nur noch neun” oder so ähnlich.
(Mit dem Liedchen “Zehn kleine Negerlein” haben viele von uns im Kindergarten zählen gelernt. Und die meisten von uns haben jedem verschwundenen kleinen Negerlein nachgetrauert, mancheiner hat sogar dabei geheult, wie die kleine Vera…)
Die Begründung: eine Initiative von in Deutschland lebenden Schwarzen sieht die Bezeichnung “Neger”, die ursprünglich in Zusammenhang mit der Hautfarbe entstand, als herabwürdigend an und klagt dagegen.
“Das finde ich super angesagt, das war schon lange fällig. Denn seien wir mal ehrlich”, plärrte die Moderatorin Dingenskirchens im Radio SWR 3, “Sie sagen auch mal ‘Ich bin doch nicht Dein Neger’ oder ähnliche Sachen zu Ihren Mitmenschen!”
Nein, liebe Moderatorin Dingenskirchens, ich – und mit mir eine ganze Menge anderer Leute – tue das nicht. Ich verwende Namen wie Kanaken, Itaker, Bimbo, Pollacken nicht. Ich gehe auch nicht ins Stadion, wo die Meute die ausländische Mannschaft als “Zigeunerpack” tituliert. Es ist nur die bescheuerte Mehrheit(?) im Volke, die das tut, mit Ihrer freundlichen Ermutigung, wie es scheint. Dagegen sollte man klagen, und nicht gegen den Buchtitel, weil wir damit nur an Symptomen herumkurieren. Man kann jede Bezeichnung und jeden Namen in chauvinistischer Absicht mißbrauchen, wenn die Gesellschaft dies erlaubt. Es ist pure Heuchelei, dies gutzuheißen, und dann Büchernamen zu ändern. Die gleiche heuchlerische Einstellung hat uns die unmögliche Bezeichnung “Azubi” statt Lehrling beschert, weil das Umfeld Lehrlinge so lange gegängelt und verspottet hat, bis dieser Name nicht mehr tragbar war.
Und wenn wir diesen Gedanken weiterspinnen, dann müßten die Länder Spanien, Frankreich und England Ihre Namen auch ändern: “Das kommt mir spanisch vor”, “Sich auf französisch(englisch) verabschieden” sind Nettigkeiten, die für die tiefe Gastfreundschaft und gegenseitige Achtung der Völker Westeuropas zeugen. Darüber hinaus müßte das Kraut verboten werden und alle Piefkes müßten ihre Namen ändern. Wegen der traditionellen deutsch-französischen Freundschaft wäre auch bei der Firma Bosch ein neuer Name fällig.
Ach ja, fast hätte ich die Türkei vergessen, sie sollte z.B. in Republik Kleinasien” umgetauft werden, wenn man die deutschen Sprüche “einen Türken bauen” oder “türken” als herabwürdigend ansieht. Die Türken würde dann Kleinasiaten heißen. (Kommentar im Universalduden: “Der Ausdruck ‘Einen Türken Bauen’ wird oft als Diskriminierung empfunden.” “Oft” ist hier wohl als Mittelwert zu betrachten: von Deutschen nie und von Türken immer.)
Unsere Gesellschaft soll sich bald auch mit dem Negerkuß befassen. Das hat doch auch einen negativen “Tatsch” oder nicht? Und machen wir uns nichts vor, es kommt todsicher auch eine Zeit, da werden wir wegen der Bezeichnung Bananenrepublik noch die Banane umtaufen.