Es ging schon auf dem Hinflug los (amerikanische Fluggesellschaft, Businessclass). Mein Kollege bestellt sich einen Whisky und verhindert souverän das Eis. Dies klang etwa so: Stewardess: “Was wünschen Sie zu trinken?” Kollege: “Einen Whisky. Aber bitte ohne Eis.” Stewardess: “Heisst das, Sie wollen kein Eis darin haben?” Kollege: “Ja, genau, ohne Eis.” Stewardess: “Überhaupt keins?” Kollege: “Ja, sage ich doch, kein Eis!” Stewardess: “Kein bisschen? Gar nichts?” Kollege: “Nein, bitte OHNE EIS!” Stewardess: “Wie Sie wünschen. Möchten Sie lieber einen Scotch oder einen Cognac?” Kollege (resigniert): “Einen Scotch, bitte.” In Indianapolis angekommen, gehen wir abends essen. Draussen 30 Grad, drinnen 18… wenn’s hoch kommt. Der Kollege friert im Hemd, ich habe zum Glück meine Jacke dabei. Die Bedienungsmannschaft ist bekleidet mit gestreiften, knallbunten Uniformen, viele davon Grösse XXL. Unsere junge Kellnerin trägt dazu noch farbige “Hörner”, wie die Antennen eines Käfers. “Hi, Guys! Einen wunderschönen Tag haben wir heute!” sagt sie zu uns als Begrüssung. Sie klopft uns dabei nicht auf die Schultern, wobei nicht viel dazu fehlt. Als Strafe für meine schwache Reaktion darauf kriege ich meinen “French Dressing”-Salat mit reichlich Ketchup. Als sie das Geschirr vom ersten Gang abräumt, knallt sie das schmutzige Besteck auf die noch saubere Tischplatte mit den Worten: “Das brauchen sie noch!” Eingeladen zum Dinner betreten wir am nächsten Tag widerwillig das italienische Restaurant “Buca di Beppo” in Indianapolis. Fensterlose Räume, rot-brauner Anstrich, die Wände von oben bis unten bedeckt mit Fotos, die einen mehr oder weniger italienischen Eindruck machen. (Die Amerikaner gehen offenbar mit der gesamten Natur genauso um wie mit dem Aroma ihrer Lebensmittel: Erst einmal alles natürliche ausschalten und durch künstliches ersetzen. Und ausserdem: Wozu überhaupt Fenster? Wer blickt schon gern auf einen Parkplatz?) Tischdecken gibt’s nicht. Statt dessen pro Nase eine etwa DIN A2 grosse Papierunterlage mit der Landkarte von Italien. Darauf ist der italienische Stiefel zu den Proportionen eines Halbschuhs zusammengestaucht. Im Süden gibt es die Stadt “Calabria”, Napoli ist ganz im Norden, an die schweizerische Grenze gerückt. Der Vezuv speit sein Lava auf der Höhe der Alpen. Vermutlich als Andenken an den “Anschluss” ist von Österreich keine Spur zu sehen. Germany erstreckt sich bis zur Adria und Switzerland selbst ist zu einem Mittelmeerland geworden. (Wenn Sie’s nicht glauben, schauen Sie doch hier nach.) Nachdem ich meinen “Shardone” in einem randvoll gefüllten Wasserglas serviert kriege, hört es auf, mich zu stören. Ich finde es lustig, wie der Kellner Knoblauchbrot für 20 Personen auf einem runden Tablett mit einem Meter Durchmesser balanciert. Oder als ein dampfender Spaghetti-Berg von schätzungsweise einem Zentner in der Mitte des Tisches thront. Noch lustiger finde ich die Versuche einiger Kollegen, mit dem Kellner Italienisch zu sprechen. Wie ich später durch Zufall erfahren habe, ist “Buca di Beppo” eine Restaurantkette mit italienischem “Flair”. Mein Interesse daran, herauszufinden wer Beppo war, hält sich in Grenzen. Auf dem Rückflug (amerikanische Fluggesellschaft, jedoch eine andere, Businessclass) bestelle ich einen Sherry. Totales Unverständnis beim Steward. Nachdem ich den Namen einige Male wiederholt und sogar buchstabiert habe, versicherte er mir, er hätte noch nie von diesem Getränk gehört. Es war rundum toll. Sie haben keine Ahnung, wie viel Spass es mir macht, wenn ich meine Vorurteile auf solch‘ eine eindrucksvolle Weise bestätigt bekomme.