Tagebuch archiv 4

Pauls Tagebuch

Rechtlicher Hinweis: Der Betreiber dieser Seite und Verfasser der Tagebucheinträge möchte sich ausdrücklich von einigen der hier geäußerten Meinungen distanzieren, von anderen hingegen nicht.

Ja, warum eigentlich nicht?

8.3.05

“Konfussion. Was heißt denn das?” fragt der Mitarbeiter, der gerade ein Formular auszufüllen versucht, seinen neuen Chef. Besser gesagt: Mich, gestern.

“Hä?”

“Hier, sehen Sie doch!” Da stand ganz deutlich geschrieben “Konfession” drin.

“Ach, das. Das bedeutet, in welchem Glauben Sie getauft worden sind.” (Dabei überlegte ich, ob das nicht doch “nach welchem Glauben Sie getauft worden sind” heißen sollte. Mein Deutsch hat gelegentlich erstaunliche Lücken.)

“Warum sagt man dann nicht gleich Religion? Oder noch einfacher: Evangelisch oder katholisch?”

In der Tat, habe ich mir gedacht, die Frage ist berechtigt. Wie einfach das Leben doch sein könnte, ohne die vielen Konfussionen, die es auf dieser Welt so gibt.

 

“Das Wort ‘Konfession’ nehme ich nicht mehr in den Mund” verriet mir mal eine gute Bekannte, die in einem Krankenhaus am Empfang tätig ist. “Die Leute fragen fast immer zurück, ob ich damit die Kleidergröße meine. Sie denken wohl, daß ich gleich Maß für eine Sargbestellung nehmen will.”

 

 

Shoot them up!

4.3.05

In der Ära des Kalten Krieges haben viele geglaubt, es wäre bloß eine Frage der Zeit, bis der nächste Weltkrieg ausbrächte.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges haben viele angefangen zu glauben, nunmehr wäre die Gefahr eines Weltkrieges endgültig vorbei.

Sprunghaftigkeit des menschlichen Geistes!

Wahr ist jedoch, daß der dritte Weltkrieg im Anmarsch ist, wenn er nicht schon begonnen hat.

Heerscharen von Ego-Shootern, bereits in Clans organisiert, sind gerade dabei, sich zu richtigen Armeen zu formieren. Von hier bis zur Bildung von Militärblöcken und zum globalen Weltanschauungskrieg im Cyber-space ist es nur noch ein Schritt.

Virtuelles Blut fließt jetzt schon in Strömen. Schützen Sie sich und Ihren Monitor! Schießen Sie zurück, so lange es noch nicht zu spät ist!

 

Ich bin neulich über die Bezeichnung “Ego-Shooter” in Verbindung mit Computerspielen gestolpert. Da ich nichts damit anfangen konnte, habe ich nachgeschlagen. Interessanterweise liefern Wikipedia und der Brockhaus ziemlich unterschiedliche Erklärungen zur Ethymologie dieses Wortes. Völlig unabhängig vom Ursprung dieser Sprachschöpfung halte ich sie -genauso wie die artverwandte “Lan-Party”- für ziemlich beknackt.

 

 

Sanftes Ruhekissen

24.2.05

Es gibt einen ebenso zwingenden wie ethisch einwandfreien Grund, warum das Gute im Kampf gegen das Böse immer gewinnt. Wer sonst nähme sich des unglücklichen Verlierers an?

Gewinnen Sie! Die Verlierer werden es Ihnen danken.

 

 

Praxistest

21.2.05

“Ich habe Frühdienst. Kannst Du morgen früh etwas beim Arzt abgeben?” fragte mich Vera gestern nachmittags.

“Kann ich. Morgen früh habe ich keinen Termin. Was und wo?”

“Na, etwas, siehst Du morgen. Die Adresse habe ich nicht, wir fahren aber schnell vorbei und ich zeig’s Dir.”

“Was, ich soll jetzt noch raus? Es ist doch Sonntag! Sag mir, wie der Bursche heißt, und ich suche die Adresse aus dem Internet raus.”

“Das findest Du nie. Hopp, sei nicht so stur, ich zeig’s Dir.”

Ich war nicht so stur, also zeigte sie’s mir. Zur Sicherheit schrieb ich mir auch die Adresse auf.

Heute morgen in der Praxis, ein Betrieb wie am Bahnhof. Drei Damen waren am Empfang anwesend, die eine am Pult, die anderen zwei an Schreibtischen weiter hinten.

Ich trug einen braunen Plastikbehälter mit Schraubverschluß, mit einem Volumen von etwa einem Liter. Darin klapperte irgendwas.

“Ich habe etwas abzugeben” verkündete ich, als ich dran kam, und zeigte auf den Behälter. “Die Patientin heißt Kreutzritter, mit Tz.”

“Was ist da drin? Sabine, kannst Du das für mich einscannen?” fragte die Dame am Pult, stand aber selbst auf und legte ein Blatt Papier in den Scanner.

“Kann ich. Nanu, Du machst das jetzt selber?” antwortete Sabine.

“Ich weiß es nicht” sagte ich.

“Steht der Name drauf?”

“Ich hoffe drinnen, außen ist nichts zu sehen.”

“Einen Augenblick!” sagte sie und verschwand mit dem Blatt Papier in der Hand. Einige Minuten vergingen. Nacheinander kamen ein Mann und eine Frau in weißen Kitteln aus den angrenzenden Untersuchungsräumen raus, schnappten sich aus einem Stapel Papieren vom Pult je eine Krankenakte und riefen irgenwelche Namen. Die zweite Empfangsdame, die, die nicht Sabine hieß, kam nach vorne.

“Sie wünschen?”

“Ich habe für eine Patientin eine Probe abzugeben” sagte ich, indem ich wieder auf den Behälter zeigte.

“Was für eine Probe?”

“Ich weiß es nicht. Stuhl, Urin, Speichel, keine Ahnung. Blut ist es nicht, nehme ich doch stark an.”

“Damit müssen Sie ins Labor. Steht der Name drauf?”

“Das hoffe ich. Wo ist das Labor?” Sie zeigte mir eine offene Tür zu meiner linken. Ich klopfte an.

“Ich habe für eine Ihrer Patientinnen eine Probe abzugeben” sagte ich und kam mir dabei immer blöder vor.

“Ich brauche die Karte. Was ist da drin?”

“Keine Ahnung. Welche Karte?”

“Die Krankenakte, von der Anmeldung. Steht wenigstens der Name drauf?” fragte sie und schraubte flink den Behälter auf, bevor ich etwas sagen konnte. Daraus kramte sie zwei kleinere Behälter, die offenbar beschriftet waren. “Ach so! Alles klar, den großen Behälter hätten Sie gar nicht gebraucht.”

“Ach, lassen Sie’s, es war doch gut so. Ohne den hätte ich weniger Konversation gehabt heute morgen. Ich hole die Akte.”

Am Empfang stand wieder die erste Dame hinter dem Pult. Jetzt telefonierte sie. Gleichzeitig streckte sie, ohne mich anzugucken, eine griffbereite Hand in meine Richtung. Offensichtlich wollte sie meine Karte. Als nichts kam, blickte sie mich irgendwann an.

“Nanu, Sie sind immer noch da?”

“Ich brauche die Karte fürs Labor. Kreutzritter, mit Tz.”

“Vorname?”

“Vera.”

“Hier bitte!”

Die einmalige Gelegenheit, hinter Veras Geheimnisse zu kommen, ließ ich ungenutzt. Ich gab einfach die Karte im Labor ab.

 

 

Think positive

20.2.05

Man hört so viel schlechtes über Politik und Politiker. Ich hingegen traue den Politikern durchaus zu, daß sie die Fähigkeit besitzen, unsere Geschicke richtig zu lenken.

Dazu müßten wir lediglich dem klapprigen Vehikel unserer Gesellschaft die Räder abmontieren, es aufbocken und als Gartenlaube nutzen. Und natürlich -fast hätte ich das vergessen!- ein Navigationssystem einbauen.

 

 

Klopfgeister, Kornkreise, tiefgekühlte Hähnchen und sonstiger Unsinn

15.2.05

Vor einiger Zeit erzählte eine Dame, die damals in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens wohnte ( “Wollwoll”end betrachtet, könnte das sogar der nicht existierende Ort Groß Gerau gewesen sein) das Märchen der in der Luft entleerten Bordtoiletten von Flugzeugen. Tiefgekühlte Sch… war durch diese “aeronatische(sic) Müllentsorgung” angeblich runtergeflogen und ihr durchs geöffnete Dachfenster ins Haus geplumpst.

Letzte Woche hieß es in allen Medien, in Australien seien tiefgekühlte Hähnchen vom Himmel gefallen und hätten sogar Dachziegel beschädigt.

Und hier schließt sich der Kreis, auch wenn das kein Kornkreis ist. Heute erfahre ich, daß die Australier aus Känguruhsch… Papier für Touristen machen. Dufte Sache! Ich halte das echt für hammerhart, auch wenn hierzu die Sch… nicht unbedingt tiefgekühlt zu werden braucht.

 

 

Königliches Gewieher

14.2.05

Großes Rätselraten bei meinen Kollegen darüber, warum Prinz Charles seine Camilla Parker Bowles jetzt auf einmal heiraten darf. Ist man über den bereits verfügbaren Nachwuchs des Prinzen so enttäuscht, daß man verzweifelt nach einer Alternative, womöglich sogar für die Thronfolge, sucht? Ein paar Versuche wert ist das schon, wie ich meine, trotz des fortgeschrittenen Alters der besagten Camilla… allein die äußerst interessante Kreuzung würde im Falle des Erfolges der englischen Boulevardpresse genug Stoff für die nächsten Jahrzehnte liefern!

Die Dame kann aber trotz dieser Heirat keine Königin werden. Sie muß sich damit begnügen, schlicht “Her Royal Highness The Duchess of Cornwall” und “Her Royal Highness The Princess Consort” genannt zu werden. Pech, halt.

Das erinnert mich übrigens an die Geschichte des afrikanischen Studenten und Häuptlingssohnes Patrice Bedale, der bei seiner Immatrikulation an der Uni Klausenburg angegeben hat, sein Vater wäre vom Beruf König. In die Rubrik “Beruf der Mutter” trug er hingegen schlicht “Hausfrau” ein.

 

 

Bedenklich

13.2.05

Gesehen in einem Kreiskrankenhaus:

 

“Liebe Patienten!

Die Diabetis(!) Schulung findet im ersten Stock statt.

Bitte folgen Sie den Holzwegweisern(!).”

 

Was für ein Glück, daß ich nur Besucher war.

 

 

Freud und Leid

10.2.05

Heute nachmittags kam einer meiner Mitarbeiter in mein Büro und kündigte an, er fühle sich unwohl und daher gedenke er etwas früher als sonst zu gehen. Und außerdem bliebe er voraussätzlich am nächsten Tag gleich zuhause.

Er dürfte wirklich krank sein, der Bursche, bei dem Versprecher!

 

 

Berechtigte Hoffnung

9.2.05

Heute beim Mittagessen haben einige meiner Kollegen den Wunsch geäußert, Stoiber möge wieder Kanzlerkandidat der Union werden.

Dem schließe ich mich an. Ich setze auch gern auf bewährtes.

 

 

Beim Zahnarzt

1.2.05

Gestern abend erwischte ich im Wartezimmer die “Bunte”.

Hier las ich, daß der König Carl Gustaf von Schweden bei Moshammer Unterhosen in den Nationalfarben bestellt haben soll.

Das können nur die deutschen Nationalfarben gewesen sein, habe ich gedacht. Ich wüßte nicht, daß die Schweden auch so was haben. Farben, die Schweden?

Oder vielleicht doch?

Und jetzt ist er gestorben, der Mosi, und ich kann ihn nicht mehr danach fragen.

 

 

Die Geschichte wiederholt sich

22.1.05

Zitiere aus der bemerkenswerten Rede des US-Präsidentes G.W.Bush zur zweiten Amtseinführung:

 

“Das Überleben der Freiheit in unserem Land hängt immer mehr vom Erfolg der Freiheit in anderen Ländern ab. Die beste Hoffnung für Frieden in unserer Welt ist die Ausbreitung von Freiheit in aller Welt.”

 

Das erinnert eindringlich an die nach der Oktoberrevolution unter den Kommunisten weit verbreitete Meinung, daß der Fortbestand des sovjetischen Systems vom Erfolg der Weltrevolution abhängt…

Es ist zum Glück nicht dazu gekommen. Das läßt hoffen.

 

 

Am schnellsten und bequemsten nach Nirgendwo

20.1.05

Bin seit einiger Zeit stolzer Besitzer eines superschnellen Internetzugangs. Nachdem die Deutsche Telekom die letzten Spuren ihrer eigenen Schlamperei beseitigt hat, funktioniert die Chose mittlerweile auch leidlich.

Jetzt kommt aber die Frage: Was mache ich überhaupt damit?

Die HPs von meiner Schwester und mir sind fürs Erste fertig und bedürfen nur gelegentlicher Aktualisierung.

Alle meinen übrigen Internetprojekte (Lumion, Mitwirkung an Klamurke) haben sich als unrealistisch erwiesen.

Nach den jüngsten Erfahrungen sind auch Diskussionsforen für mich genauso attraktiv wie der Bahnhof von Groß Gerau geworden. (Ich tue dem Bahnhof von Groß Gerau mit diesem Vergleich aber Unrecht. In seinem Fall kann ich mir -ganz im Gegensatz zu Diskussionsforen- auch andere Gründe außer der eigenen Torheit vorstellen, warum ich ausgerechnet da hingeraten könnte: Eisenbahnunglück, Flugzeugabsturz, Entführung…)

Hier muß ich aber eine kleine Parenthese machen. Ich weiß gar nicht, ob Groß Gerau überhaupt einen Bahnhof hat. Vielmehr neige ich zu der Annahme, daß es diesen Ort überhaupt nicht gibt, obwohl sein Name in ganz Mannheim auf etlichen Verkehrsschildern zu sehen ist. Das soll angeblich ein Kaff südlich von Frankfurt sein, irgendwo zwischen Darmstadt und Mainz, das so klein ist, daß es auf keiner üblichen Straßenkarte zu finden ist. So ähnlich verhält es sich mit Haßloch (welch ein Name!), das am Autobahnkreuz Speyer als Hauptfahrtrichtung ausgeschildert ist, wenn man auf die B9 in Richtung Süden will. Nicht Karlsruhe, nicht Wörth, nicht Germersheim, sondern Haßloch. Na prima.

Die Sache mit den spärlichen Internetzielen erinnert mich auch ohne Groß Gerau an die Entwicklung des Straßenverkehrs. Die technischen Möglichkeiten werden immer besser. Die lohnenden Fahrtziele gehen uns aber langsam aus.

Wie auch immer: Ich kann mich wohl glücklich schätzen (und gelegentlich fühle ich mich auch so), daß ich da und dort noch eine bescheidene Hütte mein Eigen nennen darf.

 

 

Wussten Sie schon?

12.1.05

Humor ist nichts anderes als eine der vielen Erscheinungsformen der Gewalt. Und nicht einmal die subtilste davon.

 

Da fällt mir der Witz mit dem Spatz und dem Kuhfladen ein… erzähle ich Ihnen aber ein anderes mal. Heute nur so viel: Obwohl er über eine ungeheure Einbildungskraft verfügt, konnte sich der Spatz danach nicht mehr für einen stolzen Raubvogel halten!

 

 

Griechische Kalenden

11.1.05

Neulich haben bei uns im Intranet einige Kolleginnen verkündet, daß sie gewillt seien, sich von ihren alten Kalendern zu trennen. Man höre und staune: Sie wollten das Zeug sogar schenken!

Ich erlaubte mir einen Spaß und gab im gleichen Medium an, daß ich 12 griechische Kalenden im neuwertigen Zustand, da unbenutzt, zu verschenken hätte.

Ich bekam etliche Anfragen, die ich dann (kluges Köpfchen) mit einer vorgefertigten Mail beantwortete.

Bei dieser starken Resonanz stellt sich die Frage, ob ich die besagten Kalenden nicht zum Verkauf anbieten sollte, z.B. bei ebay.

Mache ich unbedingt. Sehr bald. Vielleicht noch eher. Ad calendas graecas.

 

 

Mater semper certa est, pater semper incertus

4.1.05

Das war mal so. Heute ist Dank DNA-Technologie auch die Vaterschaft eindeutig nachweisbar.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will heimliche Vaterschaftstests per Gesetz verhindern.

Es ist geplant, daß solche Tests, die lediglich kleine Mengen DNA-relevantes Material (Speichel, Haare usw.) von Vater und Kind benötigen, und heute noch problemlos anonym durchgeführt werden können, künftig unter Strafe zu stellen, wenn sie ohne schriftliche Einwilligung der Mutter erfolgen.

Begründet wird die Maßnahme dadurch, daß die heutige Praxis “einen schweren Eingriff in die Intimsphäre” des Menschen darstellt.

Wessen Menschen?

Ist damit das (womöglich noch unmündige) Kind selbst gemeint? Das könnte ich eher einsehen, obwohl weder Probennahme noch Durchführung des Tests mit einer Beeinträchtigung verbunden sind. Daß das Kind allein durch die Bekanntgabe einer außerfamiliären Vaterschaft leidet, ist eher möglich. Dies muß man aber voll der Mutter anlasten, wem denn sonst? Und wenn wir uns dem Wohlergehen des Kindes so verpflichtet fühlen, warum sollten wir dann seine Zeugung nicht nur bagatellisieren, sondern auch fälschen?

Ist damit eher die Mutter gemeint, die dem Manne nicht nur ein fremdes Kind unterschiebt, sondern ihn durch ihr außereheliches Verhältnis auch gesundheitlich in Gefahr bringt? Diese Gefahr ist -jenseits jeder Moral- in der Ära von Aids keine Lappalie. Wurde damit die Intimsphäre des Mannes nicht aufs Schwerste verletzt?

Wir reden hier nicht über vereinzelte Fälle. Experten vermuten, daß bis zu zehn Prozent aller deutschen Kinder in Wahrheit nicht vom angeblichen Vater sind.

Die heutige Prozedur der anonymen Vaterschaftstests, die sogar per Internet abgewickelt werden kann, ist mit Sicherheit aus ethischer Sicht sehr bedenklich. Ich meine jedoch, daß der Vater ein Recht darauf hat, über seine präsumtive Vaterschaft Gewißheit zu erlangen. Der Test sollte dem Vater auch außerhalb eines Gerichtsverfahrens ermöglicht werden, wobei gegenüber der Frau und dem Kind lediglich Informationspflicht bestehen sollte. (Dies allein wird viele Ehemänner wohl davon abhalten, den Test durchführen zu lassen, weil die meisten Männer bekanntlich feige sind. Dann haben sie, wenn Sie mich fragen, auch nichts besseres verdient, als mit der Ungewißheit leben zu müssen.)

Es gibt aber auch andere Gründe, die meine Position stützen.

Die Mutter hat aus meiner Sicht mit der außerehelichen Zeugung des Kindes und der Vorspielung falscher Tatsachen de facto schweren Vertragsbruch und Urkundenfälschung begangen.

Es wäre ein Hohn, den gehörnten Ehemann noch zum Unterhaltspflichtigen zu verdonnern.

Möglich ist jedoch alles. Juristen sind auch nur Menschen, und von ihnen (wie von den Medizinern auch) Unfehlbarkeit und mehr Berufsethos als von anderen Zünften zu erwarten, ist eine Illusion. Um dies zu verstehen braucht man nicht bis zur Naziära und Freisler zurückzugehen. Es genügt die Betrachtung der Kunststücke, die die Rechtsverdreher in Amerika vollbringen, wenn genug Geld (oder auch Macht) dahintersteckt.

 

 

Rumänen, Japaner, Österreicher und andere Exoten

3.1.05

Autofahren ist mittlerweile auch in Rumänien nicht mehr das, was es früher war. Die Strassen werden nach und nach repariert und sogar markiert, die Ampeln sind meistens in Betrieb, Schilder werden aufgestellt, gelegentlich -habe ich gehört- soll es sogar Polizeikontrollen geben.

Früher konnte man sich an jeder Kreuzung äußerst flexibel verhalten, da es in der Regel nicht ganz klar war, wer Vorfahrt hat. Nach dem Motto “Im Zweifelsfalle für mich”, habe ich bisher jeden zum respektvollen Halten gebracht, indem ich stets frech durchgefahren bin. Gut, heute geht immer noch einiges in dieser Richtung, da braucht man aber starke Nerven, und langsam werde ich zu alt dazu. Neulich erlebte ich in Klausenburg, wie ein Taxi von der äußersten Linksabbiegespur (die unter uns gesagt der Straßenbahn allein vorbehalten war) einfach geradeaus fuhr. Ich kenne auch den Grund dieses Manövers, weil ich selbst in dem besagten Taxi saß: Der Fahrer erklärte mir nämlich, daß er auf diese Art viel schneller über die Kreuzung kommt. Das kann ich bestätigen. Er mußte in der Tat sehr schnell fahren, um den Zusammenstoß mit den Linksabbiegern und Geradeausfahrenden zu vermeiden. Die Gefahr hätte es natürlich nicht gegeben, wenn diese Linksabbieger und Geradeausfahrenden nicht gewußt hätten, daß sie ausgerechnet jetzt zum Weiterfahren berechtigt sind, nicht wahr?

Als die E 60 saniert wurde und sogar die letzten 10 Kilometer meiner Wegstrecke (fast bis zu meiner Hütte) betoniert wurden, habe ich ernsthaft überlegt, ob ich meine Geländewagenflotte nicht auflösen sollte. Früher, bei dem unbeschreiblich schlechten Straßenzustand von damals, war es eine echte Freude, mit meinem Pick-up mit langem Radstand, 30 cm Bodenfreiheit und großem Federweg volle Kanne zu fahren. Das schafften nur die Busse und die großen LKW. Aber jetzt? Wozu diesen Spar-Offroader behalten, der nicht einmal als Neidobjekt was taugt, so ganz ohne glitzernden Rammschutz? (Neider gäb’s, unter uns gesagt, weiß Gott genug. Nicht nur dort.)

Rechtzeitig wurde ich jedoch von meinem leichtsinnigen Vorhaben abgebracht, als ich -ebenfalls in Klausenburg- über ein Straßenloch gefahren bin. Das Loch war das Resultat einer Reparatur nach einem Wasserrohrbruch und wurde notdürftig mit Kies verfüllt, wobei man sich bei der Menge offensichtlich leicht geirrt hat, denn es fehlten so an die 20 cm bis zur Asphaltoberkante. Das Loch lag, mutterseelenallein und völlig ungeschützt, mitten auf der Fahrbahn an einer Kreuzung. Mit einem souveränen “Plopp” fuhr ich einfach drüber, bei einem normalen Wagen hätte sich das ganz anders angehört. Da habe ich in einem Anflug von Reue meinem geliebten Lastesel L-200 ewige Treue geschworen.

Apropos Autofahren: Könnte vielleicht jemand den Österreichern endlich beibringen, das sture Linksfahren auf der Autobahn zu unterlassen? Wäre echt eine große Erleichterung für mich. Danke schön im voraus.

 

 

Ist unsere Schäferhündin Bonny etwa protestantisch?

13.12.04

Wir wissen nicht, ob sie überhaupt getauft wurde, und wenn ja, in welcher Konfession. Die Leute, von denen wir sie im Alter von anderthalb Jahren abgeholt haben, gehörten nicht zu der Kategorie von Menschen, mit denen wir uns gerne unterhalten. Wir zahlten, was verlangt wurde, hinterließen für evtl. Nachfragen Adresse und Telefonnummer, nahmen den Hund an die Leine und verschwanden. Natürlich kam nie eine Nachfrage. Das hätte uns auch gewundert, so wie uns das Tier mit der Erklärung, daß sie nunmehr zu Zuchtzwecken ungeeignet sei, da sie sich von einem Labrador hat decken lassen, wie ein Gegenstand überreicht wurde.

Ich schweife jedoch ab. Tatsache ist, daß Bonny jedes Mal anfängt zu knurren und zu bellen, wenn bei uns im Dorf die Glocken der katholischen Kirche zu hören sind. (Das tut sie übrigens auch, wenn die “Selbstschußanlagen” in den Weingärten knallen, beim Glockengeläut von der evangelischen Kirche hingegen nicht.)

Ich vermute, daß Vera sie hinter meinem Rücken protestantisch erzogen hat, um es uns “Katholen” so richtig zu zeigen. Weil Bonny jedoch sämtliche Handwerker, unabhängig von ihrer Konfession, in ihre Schranken weist, und den Felix trotz seiner Behinderung mag, drücke ich hier doch ein Auge zu.

 

 

Selbstbetrug

12. 12.04

In der Überschätzung unserer Vernunft ziehen wir aber wirklich alle Register. Wir können nicht einmal begreifen, was etwas ist, und schon stellen wir die Frage danach, was dieses Etwas bedeutet. Und weil wir diese Frage genausowenig beantworten können, lenken wir gekonnt ab und fragen nun, was dieses Etwas für einen Sinn hat.

 

 

Schwerer Gemüsediebstahl

10.12.04

In China soll das ein Verbrechen sein, das die Todesstrafe verdient. Habe ich gerade in den Nachrichten gehört.

Ob ich mich verhört habe? Das kann gut sein, denn heute habe ich nach einem Anwaltstermin zwei ordentliche Portionen Scotch auf nüchternem Magen getrunken. (Der Magen war aber wirklich sehr nüchtern: Kein Frühstück, kein Mitagessen, stattdessen lauter öde Besprechungen.)

Wie auch immer, ich wurde an meine Zeit beim Militär erinnert. Da habe ich bei einem nächtlichen Manöver aus lauter Verzweiflung zwei Zwiebeln von einem Acker geklaut. Obwohl das meiner Meinung nach eindeutig Mundraub und demzufolge ein leichter Gemüsediebstahl war, bin ich wirklich froh, daß ich kein Chinese bin.

PS

Bitte nicht nachahmen. Zwiebeln auf nüchternem Magen sind fast so schlimm wie Scotch.

 

 

Deutsche Leitkultur®

9.12.04

Zitat:

[ ] In einem Abkommen mit der konservativen Regierung verpflichteten sich die Mulan-Aborigines in Westaustralien, ihre Kinder täglich einmal zu duschen, zweimal am Tag ihr Gesicht zu waschen, zweimal wöchentlich ihre Mülleimer zu leeren und viermal jährliche(sic) ihre Häuser auf Schädlingsbefall untersuchen zu lassen. Im Gegenzug bietet die Regierung Hilfen in Höhe von umgerechnet 100.000 Euro für Benzin und Benzinpumpen. [ ]

Das ist bekannt.

Nicht bekannt ist hingegen, ob die australische Regierung die Lizenz für die Verwendung des Markennamens Leitkultur® von Deutschland schon erworben hat. Ich halte dies jedoch im Zuge der Globalisierung für wahrscheinlich.

Ist das nun englische oder australische Leitkultur®? Man wird sich hier wohl wieder einmal an Deutschland orientieren und die Erfahrung mit dem Produkt im Markt abwarten, bevor man es für sich beansprucht. (Mozart und Freud sind Deutsche, eindeutig. Und dieser… Innviertler eindeutig Österreicher.)

Eine weiter Frage stellt sich für mich: Wie lange wird Deutschland seine Leitkultur® durchhalten können, wenn solche Forderungen zurückschwappen? Einmal am Tag duschen, zweimal am Tag das Gesicht waschen? Für alle? Na hören Sie mal! Wir sind doch nicht in Australien.

 

 

Mit allen Wassern gewaschen

7.12.04

Heute las ich bei uns im Intranet einen Beitrag*, in dem vor gefälschten kubanischen Zigarren gewarnt wurde. Der Einfallsreichtum der Fälscher kennt keine Grenzen, die Einfältigkeit der Touristen aber auch: Es sollen sogar Zigarrenkisten mit Glasfenster(!) designt worden, die es ausschließlich im Straßenhandel gibt. Pikanterweise sollen die Fenster dieser Sargnägelkisten von richtigen Särgen stammen… Sachen gibt’s!

Diese Erfindungsgabe rief bei mir Erinnerungen wach. In Rumänien wurden mir in den Neunzigern gefälschte Getränke angedreht (meistens wurde Remy Martin durch Metaxa bzw. Scotch durch chinesischen Whisky ersetzt), die in absolut intakter Originalverpackung angeboten wurden. Der entsprechende Aufwand hätte im Falle einer ehrlichen Arbeit wohl das Doppelte an Gewinn eingebracht. Aber das ist wahrscheinlich immer so.

Mein in Deutschland lebender ägyptischer Freund Magdy machte mal in den Achtzigern Urlaub am rumänischen Schwarzen Meer. Er wurde vor Geldwechselgeschäften mit Unbekannten gewarnt, war jedoch der Meinung, daß er als Ägypter alle Gaunertricks dieser Welt kennt.

So ließ er sich in Mamaia auf einen Handel mit drei jungen dunkelhäutigen Einheimischen ein, die ihm das Zehnfache des offiziellen Wechselkurses versprachen. Zwei von den Burschen standen angeblich auf der Straße Schmiere, mit dem Dritten ging er in einen Hauseingang, um das Geschäft abzuwickeln. Sie einigten sich über den Gesamtwert der Transaktion und waren gerade dabei, das Geld zu zählen, als beide Wachleute in den Eingang stürmten und “Polizei! Weg! Weg!” riefen. Dem Ägypter wurde hastig eine Handvoll Lei in die Hand gedrückt und sein zum Tausch vorbereitetes Geld weggenommen. Er steckte natürlich das Geld schnell ein und machte, daß er wegkam. In seinem Hotel angekommen, stellte er fest, daß er etwa die Hälfte der versprochenen Summe bekommen hatte. (Das müssen aber, unter uns gesagt, ganz ehrliche Betrüger gewesen sein.)

Das verlorene Geld störte ihn wenig, er war aber nun zutiefst beleidigt: Seine Ehre als vielgereister maghrebinischer Lebemann, der mit allen Wassern gewaschen ist, war verletzt worden. Daraufhin mußte er die kleine Gaunerei als Meisterleistung der Arglist ansehen. Nach einigem Herumerzählen der Geschichte glaubte er auch fest daran.

Außerdem glaubte er noch ziemlich lange, daß die Rumänen ein ausgesprochen dunkelhäutiges Volk seien, fast so dunkel wie Nubier. So entstehen Mythen.

 

*Da mir die Angaben glaubwürdig erscheinen, hier der komplette Text. Für die Richtigkeit der Aussagen übernehme ich jedoch keine Gewähr.

 

 

Dem Frieden eine Chance

6.12.04

Ausgelagert

 

 

Das Lagerfeuer

2.12.04

Ich guckte auf die Uhr. Schon halb fünf. Für den nächsten Tag war Regen gemeldet, so daß heute abend wohl die allerletzte Gelegenheit für das Lagerfeuer war, denn am übernächsten Tag wollten wir abreisen.

Ich ging ins Haus.

Meine Mutter lag auf ihrem Bett und las “die Presse”. Um sie herum, auf dem Bett, auf dem Nachttisch, auf dem Bettvorleger, lauter Zeitungen und Zeitschriften. Die eine davon mußte ich heute Mittag Blatt für Blatt an der Sonne trocknen, weil sie durch einen Regenguß total durchnäßt wurde. (Seitdem sie in diesem Frühjahr an beiden Augen operiert wurde -sie hat jetzt im Alter von 95 Jahren links 85% und rechts 100% Sehkraft- stört sie nicht einmal eine Brille daran, ihrer Lesesucht nachzugehen.)

“Heute abend gibt’s drüben Lagerfeuer” verkündete ich laut, damit sie mich auf Anhieb versteht. Mit “drüben” war Veras Grundstück gemeint, das genau gegenüber von meiner Hütte liegt.

“Ach ja?” sagte meine Mutter wenig überzeugt, “wenn’s nicht zu kalt wird…” Wir hatten zwar erst Ende August, in hiesiger Höhe sind jedoch die Nächte bereits ziemlich kalt.

“Heidnischer Brauch, das” kommentierte meine Schwester den Vorschlag, wobei ich ganz genau wußte, daß sie eigentlich auf so was steht. Sie hatte nur Angst, daß es der Mutter zu kalt wird. Unter anderem. Und außerdem hatte sie schlechte Laune. Sie saß am Tisch und war dabei, einen Stapel Papierblätter zu bearbeiten. Wer konnte ihr die schlechte Laune verdenken? Es war die halbe Dissertation einer gemeinsamen Freundin von uns über Michel de Ghelderode, die nunmehr in Buchform erscheinen sollte. Der einzige Grund, um den Text nicht als langweilig zu bezeichnen, war sein Einfallsreichtum in punkto Abkürzungen: wenn eine davon viermal auf einer Seite auftauchte, konnte man davon ausgehen, daß sie auf vier verschiedene Weise geschrieben wurde.

“Also abgemacht” sagte ich. “Macht euch fertig und zieht was warmes an. Wir gehen dann so gegen sieben rüber”.

Ich sagte auch Vera Bescheid, bat sie, ein Tablett mit dem Notwendigen Zubehör vorzubereiten, und ging mit einer Hacke und einem grossen Eimer in den Garten, Kartoffel holen. Schäferhündin Bonny kam natürlich mit, legte sich ins Gras und guckte mir interessiert zu.

Die Kartoffelpflanzen waren durch die Dürre dieses Sommers ziemlich mitgenommen, an vielen Stellen war vom Grünen nichts mehr zu sehen. Die Knollen unter der Erde waren aber von einer gesunden rosa Farbe, auch wenn die meisten nicht größer waren als ein Hühnerei. Ich machte den Eimer voll und kehrte zum Haus zurück.

Am Wasserhahn draußen füllte ich den Eimer mit Wasser und putzte jede einzelne Kartoffel unter dem Wasserstrahl mit einer Bürste sauber. Danach spüllte ich sie im Eimer nochmal gründlich mit Wasser, trocknete sie einzeln ab und wickelte sie in Alufolie ein.

Dann half ich Vera bei den übrigen Vorbereitungen. Ich brachte aus der Garagenscheune eine Schubkarre, eine Axt, eine Heugabel und eine Harke mit. Ich packte ansonsten den Eimer mit Kartoffeln, eine Grillzange, eine Taschenlampe, zwei Guerillamatten, vier Decken, vier Gartensessel, etliche Flaschen Bier und sonstige Klammotten darauf. Wir waren schon mit langen Hosen, Wanderschuhen, dicken Pullovern und so Zeug warm angezogen.

Dann gingen wir ‘rüber, so gegen sieben.

Allen voran Schäferhündin Bonny, die bereits auf der anderen Seite der Dorfstrasse vor dem Tor wartete. Als nächster war ich mit der Schubkarre dran, die mittlerweile mit den gestapelten Gartensesseln dem schiefen Turm von Pisa ähnelte. Ganz oben balancierte ein leerer Karton als Anzünder für das große Feuer. Vera folgte mit einem Tablett voll mit Kleinkram: Butterdose, Salzstreuer, Besteck, Gläser, Papierservietten, Flaschenöffner.

Meine Mutter trug einen wollenen Freizeitanzug, einen Pullover, einen riesigen Strohhut und lammfellgefütterte Moccassins. Sie bewegte Ihre Gehilfe sicher über die holprige Schotterstrasse. Felix, der Hund meiner Schwester, blieb mitten auf der Strasse stehen, erspähte Toaders Ziegen, die gerade von der Weide zurückkamen, und fing an zu bellen. Meine Schwester, die die Nachhut bildete, versuchte ihn mit einem wiederholten “Geh!” zum Weiterlaufen zu bewegen. (Das ist so ziemlich der einzige Befehl, den ein Hund nicht versteht.)

Die Ziegen blieben abrupt stehen und blickten uns dumpf an. Irgendwie gelang es meiner Schwester, den Felix über die Strasse und auf Veras Grundstück zu zerren. Ich liess die Schubkarre stehen und machte das Tor zu. Die Ziegen blieben hartnäckig mitten auf der Strasse stehen.

“Er hat sie erschreckt. Die laufen einfach nicht weiter” sagte meine Schwester besorgt. Sie kriegt sehr leicht ein schlechtes Gewissen.

“Die sind bloß neugierig, denn so eine Prozession kriegen sie nicht jeden Tag zu sehen. Und wenn sie sich doch von uns erschrecken lassen, dann haben sie keine Existenzberechtigung als Karpathenziegen” sagte ich leichthin.

“Der Toader wartet aber auf sie! Sie müssen doch gemolken werden” beklagte meine Schwester. Mit Bonnys Hilfe versuchte ich vergebens, von diesseits des Zauns die Ziegen zum Weitergehen zu bewegen. Sie blickten uns nur stumm an. Nach etwa 20 Minuten kam der Besitzer und trieb sie mit seinem Stock nach Hause.

Bonny hatte in der Zwischenzeit angefangen, mit Anas Schweinen zu spielen, die auf der anderen Seite des Zauns weideten. Das Spiel fing wie immer damit an, dass sie sich erst durch den Zaun beschnupperten. Sie wedelten alle, nicht nur der Hund, sondern auch die Schweine mit ihrem gekringelten Schwanz. Dann folgten schnelle Finten, links, rechts, links, wobei der Schweinespeck wabbelte. Dann rannten sie Schulter an Schulter am Zaun entlang, jeder auf seiner Seite, Bonny bellte mit heller Stimme, die Schweine grunzten und quikten. Schweine haben viel Humor. Sie gaben zwischendurch vor, sich gegenseitig anzugreifen, dann übten sie Scheinangriffe auf Anas Hund, der in der Nähe angekettet war. Bujor (frei übersetzt: Pfingstrose) dachte, er muss sein Fressnapf verteidigen und machte einen Höllenlärm.

Wir halfen der Mutter, die wir erst in einer Decke einwickelten, in den Sessel, auf dem eine Guerillamatte ausgebreitet war, und legten ihre Füße auf einen Holzscheit hoch.

In der Nähe der Feuerstätte hatte ich bereits vor einigen Tagen einen grossen Haufen trockenen Zweigen bereitgestellt. Das Meiste davon stammte von einem riesigen Rosenstock, den wir auf einer Fläche von gut fünfzig Quadratmetern gerodet hatten. Diese Wildrose wuchs bis drei Meter hoch und begrub nach un nach die Zweige der Vorjahre unter sich, so dass ein kompaktes Dickkicht entstanden war, in dem das meiste Holz trocken war. Wir kämpften uns in den Wochen davor mit Kettensäge und elektrischer Heckenschere durch. Den überwiegenden Teil davon hatte ich fürs Lagerfeuer aufgehoben.

Ich machte das Feuer an. Das Rosenholz brannte wie Zunder.

Gelb-rot-violette Flammen stiegen empor, gelbe Funken stiegen noch höher.

Wir quatschten, blickten die untergehende Sonne und den Berg an, kümmerten uns um das Feuer und tranken Bier.

Nachdem es genug Glut gab, fing ich an, nach und nach die eingewickelten Kartoffeln ins Feuer zu legen. Als es dunkel wurde, nahm ich die Taschenlampe zu Hilfe.

Dann aßen wir alle, vier erwachsene Menschen und zwei Hunde, im spärlichen Licht des Feuers, Folienkartoffeln mit Butter und Salz.

 

 

Rauchen für das Gemeinwohl

1.12.04

Aus gegebenem Anlaß möchte ich, toleranter Ex-Raucher, allen deutschen Rauchern mein Mitgefühl aussprechen. Warum die Raucher -volkswirtschaftlich betrachtet- die besseren Menschen sind, habe ich schon mal hier erklärt. Zu ergänzen ist vielleicht noch die Tatsache, daß die Rentenkasse in einem noch größeren Umfang entlastet wird…

Ebenfalls aus gegebenem Anlaß muß ich leider feststellen, daß ich wieder mal gegen eine meiner eigenen Weisheiten verstoßen habe. Ich gelobe wieder mal Besserung.

 

 

Erleuchtung

30.11.04

Ausgelagert

 

 

Wochenendbeschäftigung

28.11.04

Heute habe ich im Werkstattofen stapelweise Kontoauszüge verbrannt. Nicht so sehr wegen des Brennwertes, obwohl es schon gut zehn Kilo waren, sondern eher in Ermangelung eines Papierwolfs. Jedenfalls, sie mussten weg, die Dinge. Sie stanken nach Zigarrettenrauch (und das neun Jahre, nachdem ich aufgehört habe zu rauchen!), nahmen eine ganze Schublade in Anspruch und erinnerten mich viel zu sehr an meine kaputte Ehe. Von den ewigen Geldsorgen will ich gar nicht erst reden.

Jetzt fühle ich mich viel besser, irgendwie erleichtert. Und die Temperatur in der Werkstatt ist -ob Sie’s glauben oder nicht- ganze zwei Grad höher als vorher.

Nächstes Wochenende mache ich mit alten Rechnungen und Steuererklärungen weiter.

So lüge ich mich dann über die Tage, Wochen und Jahre hinweg, als könnte ich auch nur ein einziges Gramm von dem Ballast loswerden, das ich mit mir trage.

 

 

Erinnerung

12.11.2004

Fragt mich bitte nicht, warum ich mich heute morgen ausgerechnet an diese Episode erinnert habe. Keine Ahnung. Ich habe mich aber daran erinnert und basta.

In den Siebzigern bin ich in Bonn für einige Zeit in eine kosmopolite Gesellschaft geraten, so eine Art intellektuell angehauchter Kochklub. Die Gastgeberin war Sekretärin im Auswärtigen Amt, wählte grün und war die geheime Geliebte eines hohen CDU Parteifunktionärs. Der heutige Koch war der Libanese Abdel Nour, ein Botschaftsangehöriger, Kulturattaché oder so was. Das Essen schmeckte göttlich, der Wein auch.

Mein Freund Miess, ein Siebenbürger Sachse aus Kronstadt, dem ich die Einladung und die Bekanntschaften zu verdanken hatte, stand zwischen zwei Gängen auf und erklärte, er ginge kurz weg, seine Dulcinea anzurufen. Damit war seine Frau gemeint, die zuhause bleiben mußte, weil das eine Kind krank war.

“Wie kannst Du nur von Deiner Frau so reden? Dulcinea ist doch ein Beuerntrampel!” entrüstete sich meine Tischnachbarin, eine zickige Blondine, deren Nase genauso lang und scharf war wie ein Eispickel. Sie war irgend etwas in Richtung Journalistin oder Pressereferentin, jedenfalls hatte sie eine philologische Ausbildung, die sie ausgiebig öffentlich auslebte.

Mein Freund holte tief Luft und sagte dann in einem zuckersüßen Ton:

“Du weißt doch als Philologin am besten, man kann ein Wort auch im übertragenen Sinn verwenden. Und außerdem, ich habe doch jedem hier reichlich Gelegenheit geboten, mich und auch meine Frau kennenzulernen. Warum sollte mich jemand überhaupt mißverstehen? Ich meine, außer Dir, natürlich.” Kein Anwalt läßt die Gelegenheit für einen höflichen Seitenhieb aus.

Hier versuchte der kahle polnische Komponist mit einem “Ähem. Was ich noch sagen wollte…” das Thema zu wechseln. Vergeblich.

“Das sind doch Ausflüchte. Ihr Männer redet hinter vorgehaltener Hand immer abfällig über eure Frauen. Aber nie in ihrem Beisein, dazu seid ihr zu feige.”

“Da ist was dran. Ihr Frauen seid viel mutiger. Meine z.B. nennt mich Häschen, auch wenn ich dabei bin. Was meinst Du, ist das positiv oder negativ zu werten? Sollte ich mir deswegen vielleicht Sorgen machen?”

“Ich glaube, da fragst Du lieber mich. Ich bin Biologe” mischte ich mich ein. Dabei bin ich, unter uns gesagt, Chemiker.

Der Streit war nun -bis auf ein paar giftige Blicke- abgewendet. Ich konnte mich für diese diplomatische Meisterleistung beglückwünschen. Und auch dafür, daß ich damit die Versuche der Gastgeberin, mich mit der Dame zu verkuppeln, wohl endgültig vereitelt hatte: Sie bevorzugte offensichtlich Geisteswissenschaftler.