Sonntag

Der Unbekannte blieb am Zaun unter der Eßkastanie stehen, mir direkt gegenüber. Sein Blick streifte die Sträucher, die irgendwann – so Gott will – zu einer hohen und wilden Hecke zusammenwachsen werden: Liguster, Haselnuß, Cornellkirsche, Jasmin, Flieder, Hibiskus. Dann schlenderte er weiter, hielt kurz vor jedem einzelnen Gehölz inne und betrachtete es eingehend. Die Cornellkirsche, die im Moment noch keine Blätter, dafür aber lauter gelbe Blüten hat, berührte er sogar flüchtig. Dann hob er den Blick, um die zwei mächtigen Bäume anzusehen, eine Riesentanne und einen Ahorn, die die Einfahrt zum Hof zu einer Geschicklichkeitsübung machen. Am Hoftor las er aufmerksam die Klingelbeschriftung, betrachtete die Hundehütte (mit der eigenen Hausnummer 4a) und verschwand dann aus meinem Blickfeld.

In Gedanken fing ich mit Hilfe der Heckenschere an, dem Buchsbaum die Gestalt eines Buches zu geben. Einen Titel hatte ich für das Buch noch nicht, aber schon eine Widmung: “Dem unbekannten Leser”.