“Na, hast Du gut geschlafen?” fragte mich Bonny am Donnerstag frühmorgens.
“Hätte besser sein können” antwortete ich mürrisch. “Mit 39° Fieber ist das Ergebnis meistens dürftig. Und ausserdem hatte ich einen quälenden Traum, der immer wieder von vorne anfing”
Sie stellte die Ohren. “Ja? Lass mal hören” sagte sie interessiert. Bonny hält sich (u.a.) für eine gute Traumdeuterin.
“Der Traum geht so. Die Strasse fährt geradeaus, sie steigt unentwegt. Ich habe schon lange das Gefühl, dass es eigentlich nicht mehr weiter nach oben gehen kann. Die Fahrbahn ist durchsichtig, so dass ich die schwindelerregende Höhe, in der ich mich befinde, körperlich spüren kann. Eine offene Landschaft tut sich auf einmal auf. Ein riesiges Gebäude mit einem grossen Parkplatz davor erstreckt sich über die ganze Breite des Horizonts. Das Dach ist nicht sichtbar, sondern hoch im diesigen Himmel verborgen. Das gelbe Sonnenlicht kommt in einem schrägen Winkel von links unten. Zahlreiche zuckerhutförmige, fensterlose Konstruktionen aus grobgehauenen, mit Gras bewachsenen Granitsteinen, zerteilen den Parkplatz. Sie sind etwa zehn Meter hoch. Am Fusse jedes Zuckerhuts rinnt aus einem kleinen Loch Jauche heraus. Ich suche auf diesem Parkplatz mein Auto, in der Gewissheit, dass ich es gar nicht finden kann.
Und dann fängt es wieder von vorne an”
“Hm. Der Anfang ist ein klarer Fall, Du bist krank. Die durchsichtige Strasse symbolisiert die Fragilität des Lebens. Sei froh, dass Du keine 40° gehabt hast, sonst wäre die Fahrbahn unter Dir zersplittert und Du wärest gefallen… wie in einem richtigen Alptraum. Später in Deinem Traum werde ich aber etwas unsicher. Ob das grosse Gebäude die Gesellschaft symbolisiert? Oder die Macht? Kannst Du vielleicht besser einschätzen womit Du eher ein Problem hast: das ist es nämlich. Wie auch immer, wegen der Jauche und deines Autos müsstest Du einen Psychiater konsultieren”
“Den Teufel werde ich tun” sagte ich. “Ich will’s gar nicht wirklich wissen. Und ausserdem kuriere ich mich selbst. Mit Musik und Whisky”
“Du verdirbst den Hund mit solchen Sprüchen” sagte Vera zu mir. “Zum guten Schluss wird sie zu einem Säufer wie Nino” Nino, der Cousin von Bonny, macht es seinem Herrchen nach und trinkt Bier.