Sportliche Übung

“Hör auf zu jammern! Wenn Du wirklich wissen willst, ob Du gut schreiben kannst, dann lass Deine Kindergeschichten für eine Weile liegen und nimm Dir ein schwieriges Thema vor. Etwas richtig unästhetisches, unappetitliches” sagte meine Freundin Vera zu mir. Sie machte hier eine lange und bedeutungsvolle Pause.
“Oh, nein! Nicht das! Ich weigere mich” gab ich schnell zurück. “So gut schreibe ich nun wieder nicht, dass ich mich mit RTL 2 auseinandersetzen kann. Ausgeschlossen!”
“Dann schreibe etwas über Sport. Das ist zwar nicht das Gleiche, aber immerhin,” sagte sie gnädig, “mal sehen, was daraus wird.”
Und das ist daraus geworden. Es ist nicht viel, aber ich übe weiter.
“Vor Jahren, als ich noch fernzusehen pflegte, habe ich einen Alptraum gehabt, als ich mitten in einer Sportsendung eingedöst war: Kai Ebel und Nicky Lauda interviewten gemeinsam den Fussballtorwart Oliver Kahn. (Sie wissen doch, das ist derjenige, der mit affenartiger Geschicklichkeit durch die Luft segelt!) Michael Schumacher grinste wortlos auf der riesigen Leinwand im Hintergrund. Gelegentlich hielt er inne und versuchte aufs neue, seinen Unterkiefer einzurenken. Regie führten zusammen Lothar Matthäus und Mario Basler, Leitung der Sendung hatte Boris Becker. Die drei waren selbst nicht zu sehen, sondern lediglich durch lauten, von starkem Widerhall verzerrten Kommentaren und Anweisungen zu vernehmen. Musikalisch wurde die Sendung noch durch das Duettgestöhne von Venus Williams und Monica Seles untermalt.
Zum Schluss dachte ich absurderweise: “Das Einzige, was noch fehlt, ist ein Schlusswort von Marcel Reich-Ranicki”, da rückte er schon mit Berti Vogts an der Leine ins Bild.”
Weiter kann ich nicht schreiben, weil ich hier aufgewacht bin.