Eine
dramatische, vielleicht auch tragische Fortsetzungsgeschichte, die Handlung
spielt hauptsächlich im Internet. Die
Hauptpersonen: Hilde
Griess: eifrige
Internetuserin mit vielen Pseudonymen: --; Plagiator; hdg; Niesollstdumichbefragen; Sofie
L.; S. Lanio; Rapunzel; Gabriele; Margrethchen; Grethchen, M-chen, M.; Marge;
Das Echo; Iich; Umberta; Daria, Buntgefiederte; Johann ohne Land und Wappen;
Johann; Johannes spendet nicht; Severin; Tonia; Sandra; Lecteur; Leser;
Kilroy; Karin Ilroy; Renate Weber; Renate, Ich möchte auch gern, kann auch
schon ein bisschen, Lectrice, Potemkin&Ringelnatz, P&R,
Laufkundschaft, XYZ, "Tuesday", Arnold Stiefel, Undine, Aszendent
Zweifel, Comte de Lautréamont u.s.w. Könnte ungefähr
so
aussehen, wenn sie jünger wäre. Michael
Kurtz genannt auch Paul: Möchtegernschriftsteller im zweiten Frühling. Er hat es erst zu
einem einzigen Pseudonym gebracht. Laura
Samtherz: eine
Ex Pauline
Leone: Lebensgefährtin
des Schriftstellers Das
Triumvirat: Athos (genannt auch Ioio), Porthos (genannt auch Elch) und Aramis
(genannt auch Chef) drei Literaten Weitere
Personen nach Bedarf. |
Prolog Sie gab
mir tatsächlich den Laufpass, diese Laura. Nach sechs Monaten Schwärmerei
fiel ihr auf einmal auf, dass ich 19 Jahre älter und einen Kopf kleiner war
als sie. Und dazu noch verheiratet. Sie dankte mir dafür, dass ich ihr
geholfen habe, sich von ihrem früheren Freund Peter, diesem etwas dümmlichen
Polizisten, zu trennen. (Den hat sie damals kurzerhand aus ihrem Haus
rausgeschmissen, nachdem sie ihm aber erst das Geld für die neue Gasheizung
abgeknöpft hatte.) Sie erklärte mir, wie unabhängig und frei sie in den sechs
Monaten unserer Beziehung geworden war. Sie hätte mich geliebt, oh ja, zu
einem grossen Teil sei diese Liebe jedoch so gewesen, als wäre ich für sie
auch eine Art Vater, weil sie ihren leiblichen bekanntlich nie zu Gesicht
bekommen hat. Während unserer gemeinsamen Zeit habe sie nach und nach auch
die Liebe für sich selbst entdeckt. Das möchte sie nun nie wieder aufgeben.
Mit diesen Worten gab sie mir einen Kuss auf die Wange und verschwand. Ich,
paarundfünfzig Jahre alt und mit einer kaputten Ehe im Rücken, blieb in
meiner Junggesellenwohnung allein zurück und kriegte die Panik. Der
Umgang mit einer schwierigen Situation bedeutet in der Regel nichts anderes,
als dass man sein Verhaltensmuster unbedingt beibehält, die eigenen
Zappeleien jedoch irgendwie an die veränderten Bedingungen anzupassen
versucht. (Und in der Regel ist beides, sowohl das Verhaltensmuster, als auch
die Richtung der Anpassung, völlig verkehrt). Jedenfalls
tat ich damals genau sowas. Ich
hatte Laura zu seiner Zeit durch einen zufälligen Intranetkontakt
kennengelernt, also fing ich jetzt an, meine diesbezüglichen Bekanntschaften
ganz gezielt nach einem möglichen Laura-Ersatz zu durchforsten. Aus dem Regen
in die Traufe. Die
Hilde war so eine Beziehung. Sie reagierte etwa ein halbes Jahr davor auf
eine meiner üblichen hämischen Eintragungen vom Schwarzen Brett durch eine
persönliche Nachricht an mich. Seit dem führten wir eine lose und belanglose
Korrespondenz per e-mail. Sie war
schon damals ziemlich aktiv im Intranet. Sie verkaufte und verschenkte
allerlei, z.B. reparaturbedürftige Weidekörbe, Taschenbuchkrimis,
Gardinenstangen, leere Parfumfläschchen, Programme der Volkshochschule oder
Adventskalender vom Vorjahr. (Die, wohlgemerkt, ohne Schokolade.) In diesen
Fällen schrieb sie aus verständlichen Gründen unter ihrem wirklichen Namen.
Unter dem Namen "Plagiator" veröffentlichte sie aus einem
unerfindlichen Grund Gedichte und Sprüche von bekannten Dichtern, alles
ziemlich antiquiert und langweilig. Ich erwischte sie einige Male, wie sie
unter dem Schutz des Anonymats auch irgendwelche Typen niedermachte, was ich
noch weniger lustig fand. Einem überaus netten Mundartdichter ist sie,
getarnt als "--", dermassen scharf über den Mund gefahren, dass er
sich Wochenlang nicht mehr rührte. Ich empfahl ihr, wenn sie schon nicht
unter ihrem echten Namen schreibt, sich wenigstens ein gescheites Pseudonym
wie Heal deGard zuzulegen, von dem Vorschlag hielt sie aber nicht viel. Eine
Zeitlang benutzte sie jedoch die Initialen davon. Für kurze Zeit war sie also
"hdg". Das war
die Frau, mit der ich ein Blind-date vereinbart habe. Das Ganze fand Anfang
März 2000 statt. Ich
schrieb einfach, dass ich mich mit ihr persönlich treffen möchte. Sie tat
etwas überrascht, erklärte mir aber, dass sie selber auch nicht nur darauf
aus war, eine Brieffreundschaft zu unterhalten. Na also. Auf
ihren Vorschlag hin trafen wir uns vor einem russischen Restaurant in einem
der Vororte, abends nach Dienstschluss. (Ich war als erster da. Das Lokal war
wegen Renovierung geschlossen. Ich hätte sofort weglaufen müssen. Das
Schicksal gibt uns immer irgendwelche Zeichen, die können wir bloss nicht
richtig deuten. Aber was soll's. Im nachhinein ist man immer klüger.) Sie sah
völlig anders aus, als ich sie mir beim Lesen ihrer Mails vorgestellt hatte.
Aber das ist wohl immer so. Sie war
gut über vierzig, etwas grösser als ich, kräftig gebaut, blond, pausbäckig,
trug eine Brille, einen Pagenschnitt und die Kleider Ihrer Mutter. Wir
blickten uns gegenseitig an, stellten dann fest, dass wir uns noch nie vorher
gesehen hatten und blieben eine Weile unschlüssig stehen. Das Lokal war ja
wegen Renovierung geschlossen... Ich
ergriff die Initiative. Wir liefen zusammen zur nahgelegenen öden
Hauptstrasse, wo wir die Wahl zwischen einer kleinen Kneipe und einem
Wienerwaldrestaurant hatten. Wir landeten letztendlich im Wienerwald. An die
Speisen kann ich mich genausowenig erinnern, wie an das Gespräch. Wir haben
eine Weile über die streng religiöse Erziehung gesprochen, die wir beide
genossen haben. Kann sein, dass ich in dem Zusammenhang auch meine Allergie
gegen Ritualhandlungen aller Art erwähnt habe, bin aber nicht sicher. Sie
erzählte mir, glaube ich zumindest, dass sie in irgendwelchen kirchlichen
Organisationen ehrenamtlich tätig sei. Und dass sie unverheiratet sei und
zusammen mit ihrem Freund wohne, irgendwie aber doch getrennt. Ich erfuhr
auch, dass sie passionierte Krimileserin war. Von Hammett hatte sie aber
nichts gehört. Ich hatte jetzt genug. Es gab
nichts, was ich an ihr oder an ihrer Konversation hätte attraktiv finden
können. Die
Fehlkommunikation war offensichtlich. In den wenigsten Fällen, wo ich den
tieferen Sinn ihrer Ausführungen verstehen konnte, fand ich ihn entweder
verschroben oder aufdringlich banal. (Mir kamen dabei die vielen
Missverständnisse aus unserem Briefwechsel wieder in Erinnerung.) Sie lachte
gelegentlich -sie hatte so eine Art gepresst-kehliges Lachen, das mich
regelrecht schaudern liess- aber immer zur falschen Zeit. Sie schien
ihrerseits mit meinen Gedankengängen mehr schlecht als recht zurechtzukommen.
Der
allgemeine Eindruck, der mir geblieben ist, lässt sich schwer beschreiben,
obwohl er unheimlich lebendig ist. Ein grosses Unbehagen. Ich hatte das
Gefühl, in ihrem Wesen etwas mir absolut fremdes entdeckt zu haben. Und
dieses etwas stiess mich unmissverständlich ab. Wir
verabschiedeten uns nach knapp zwei Stunden. Ich versprach, mich bald zu
melden. Sie sagte dazu gar nichts. "Na,
das war aber eine Pleite" dachte ich während der Rückfahrt. "Zu je
einem Drittel alte Jungfer, Bauerntrampel und Emanze, das kann doch auf die
Dauer nicht gut gehen... das ist ja wirklich eine explosive Mischung!" Eine
Prophezeiung? Wir werden sehen. Einige
Zeit verging. Jetzt
bekam ich langsam Stress. Meine
Schreiberei beschäftigte mich immer mehr. Ich hatte bei uns im Intranet (am
Schwarzen Brett Zu verschenken) eine eigene Rubrik "Abendliche
Gedanken" etabliert. Ich
hatte mittlerweile auch Pauline getroffen: Unsere Beziehung entwickelte sich
-mir fällt kein besseres Wort ein- rasant. Einfach rasant. Das ist aber eine
andere Geschichte. Ich
musste zwei anderen Damen, mit denen ich mich vor kurzem persönlich getroffen
hatte, absagen. Eine weitere Verabredung war noch geplant. Laura
bombardierte mich nach wie vor mit Mails in blauer Schrift auf rosa
Untergrund, in denen genauso viele Vorwürfe wie Schreibfehler versteckt
waren. Und nun
war auch noch die Hilde da. Natürlich
war ich derjenige, der das alles eingefädelt hatte. Ungerecht war es
trotzdem. Ich
führte ein Telefonat, schrieb zwei Mails und war einen Teil meiner Sorgen
los. Von diesen drei Damen habe ich nie wieder was gehört. Die
Mails von Laura ignorierte ich. (Ich hielt mich über weite Strecken strikt
daran. Da sie unentwegt weiter machte, schrieb ich zwischendurch wütend
irgendwas zurück, dann ignorierte ich sie wieder. Nach zwei Jahren war es
dann doch zu Ende, nachdem sie mir zwischenzeitlich das Du schriftlich
entzogen hat: Wir schlossen so eine Art Frieden.) Von
Hilde bekam ich mit der Hauspost ein Schreiben, dessen Inhalt ich jedoch hier
nicht breit treten will. Eines stand aber fest, ich musste dringend etwas
tun. Auch
mir schien in dieser Situation ein Brief eher geeignet zu sein als eine Mail.
Also schrieb ich ihr einen, den ich hier jedoch der Einfachheit halber
in Mail-Form zeige. (Die Formulierung: "[] dass eine Vertiefung unserer
persönlichen Beziehung nicht möglich ist" finde ich im nachhinein zwar
beknackt, aber nach wie vor eindeutig.) Ich
schickte Pauline -mit dem forschen Kommentar: "Damit dürfte alles klar
sein!"- eine anonymisierte Kopie. Damals war ich in Sachen Hilde Griess
noch sehr auf Vertraulichkeit bedacht. Als am
nächsten Tag schon die Antwort kam, fiel mir ein Stein vom
Herzen: Hilde war "beinahe erleichtert", ich durfte also richtig
erleichtert sein. Die Anmerkungen zu meinem aktuellen Rubrikbeitrag von damals verstand ich zwar
nur halb, machte mir aber nichts daraus: Es war ja auch nicht das erste Mal,
dass ich nicht genau wusste, worauf sie hinaus will. Ansonsten war die Antwort
ruhig und gefasst, meine Sorgen waren wohl unbegründet. Dann
rief sie mich am nächsten Abend privat an. Ich fiel aus allen Wolken. Pauline
war bei mir zu Besuch. Wir waren dabei, für sie ein paar von meinen CD's zu
kopieren, sie schrieb gerade die Titel der Musikstücke ab. Hilde
stellte sich mit ihrem trägen und bedeutungsvollen "Griess" vor,
ich schwieg. Sie erklärte mir dann, dass irgendwas, was ich u.U. aus ihrer
Mail hätte verstehen können, doch nicht so gemeint war. Sie gäbe ja zu, man
könne durchaus etwas zwischen den Zeilen lesen, dies fiele jetzt im
nachhinein auch ihr auf, beabsichtigt wäre das aber nicht gewesen. Sie wolle
mich auf keinen Fall kränken, mein Rubrikbeitrag sei ja ansonsten völlig in
Ordnung. Zwischen all diesen Sätzen machte sie lange Pausen. Ich wusste
überhaupt nicht, was ich sagen soll. Sie nahm doch nicht etwa an, ich hätte
den Geistesblitz ihretwegen geschrieben? Oder doch? Ich war jetzt wütend,
allein meine Höflichkeit hinderte mich daran, den Hörer aufzuknallen. Diese
Erklärung wollte ich nicht, sie interessierte mich nicht, ich wollte im
Moment nichts anderes, als dass dieses Gespräch aufhört. Ich fühlte mich
elend, hörte wie ein Depp weiter zu und wurde noch wütender. Pauline
blickte mich nicht an. Ihre Präsenz spürte ich dadurch nur noch stärker. Jetzt
kamen langsam die ersten Vorwürfe durch, leise aber deutlich. Das Ganze
spiele jetzt so wie so keine Rolle mehr, "nachdem wir unsere
Korrespondenz so stillvoll beendet haben..." Die traurige Schilderung
einer unechten Resignation. Ich
verstand jetzt gar nichts mehr. Das alles passte auf einmal überhaupt nicht
mehr zusammen. Nach
einer Weile schaffte ich es irgendwie, das Gespräch zu beenden und legte den
Hörer ganz behutsam auf. "Du
Armer!" sagte Pauline zu mir. "Mir war's bei dem Gespräch auch
nicht gerade wohl in meiner Haut, obwohl ich nicht viel mitbekommen habe:
Deine Antworten waren ja ziemlich einsilbig. Dich hat es aber richtig
mitgenommen, wie ich sehe." "Die
hat doch einen Dachschaden. Was will sie noch von mir? Ich verstehe das
nicht!" "Es
riecht nach einem ganz schwierigen Fall. Das ist eine Klette, glaub mir, das
wirst Du noch sehen." Ich
wollte mit dieser Frau nichts mehr zu tun haben. Am nächsten Tag schrieb ich
ihr eine Mail, die, wie ich hoffte, alles klar machen würde. Ich
zeigte auch Pauline den Text. "Das
ist viel zu höflich und etwas unklar, man kann es leicht missverstehen. Es
ist aber ziemlich egal, wenn mein Bild von ihr stimmt, dann wird sie so oder
so nur das verstehen, was ihr passt. Und zwar immer. Sag mal, hat sie eine
Pagenfrisur?" Ich
bejahte und blickte sie fragend an. Sie lächelte, wollte aber nichts mehr
sagen. "Ach,
was soll der Quatsch? Ihr mit Eurer Weiberlogik!" Ich war
jetzt fest entschlossen, alles zu ignorieren, was von Hilde kommen sollte. Und es
kam einiges. Als erstes konnte ich (neben der eleganten
Wortschöpfung "mailerisch") mit Erstaunen lesen, sie hatte
zeitweilig nicht nur geglaubt, dass ich den Geistesblitz ihretwegen
geschrieben hätte, sondern auch dass ich dabei "zerstörerische
Absichten" gehegt hatte. Jetzt glaubte sie es allerdings nicht mehr.
Meine Erleichterung darüber wurde jedoch von der Episode in der Kantine getrübt:
Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn man mir auf die Schulter klopft.
Für mich war das eine Drohung. In der nächsten Mail erkannte sie die
"unterschwellige Aggressivität" in der Mail davor. Sie hatte volles
Verständnis für mein Schweigen. Als künftiges Gesprächsthema schlug sie die
"Unterschriftenaktion zu den geplanten ICE-Umleitungen" vor. Dann
war ein Rubrikbeitrag von mir dran. Ich hatte mich mit
der "Entschlüsselung" des menschlichen Genoms auseinander gesetzt.
Und weil hier das Wort Wurm vor kam, meinte sie (aber nur fast), ich hätte
den Beitrag "Rund um den Spulwurm" nennen sollen. Die
"Abendlichen Gedanken" gaben auch das nächste Stichwort. Ich
behauptete damals schlicht und einfach, dass die
Gegenwart nicht existiere. (Heute würde ich sogar einen Schritt weiter gehen
und Die Zeit als reine Einbildung bezeichnen.) Die Angst um die
Gegenwart löste am "Schwarzen Brett" eine hitzige Diskussion aus,
die ich amüsiert verfolgte. Ich liess die Leute diskutieren und wendete mich
in der Woche darauf dem Thema Kolonialismus zu. Und jetzt behauptete die
Hilde in ihrer Mail, sie hätte mich auf diese Gedanken
gebracht. Fragen Sie mich nicht, warum. Darauf konnte ich mir bis heute
überhaupt keinen Reim machen. Ich
erwartete nicht, dass dieser Spuk sofort aufhören würde. Ich schwieg einfach
hartnäckig weiter. Auf diese Weise -so hoffte ich zumindest- wird sie die
Lage irgendwann verstehen und akzeptieren. Ich
überlegte sogar, die "Abendlichen Gedanken" zeitweilig einzustellen,
damit sie nicht als Anlass für eine weitere Kontaktaufnahme dienen konnten, wie z.B. bei
dem Beitrag über Zappa. Dies umso mehr, als sich auch
Laura berufen fühlte, fast jeden Beitrag von mir entweder öffentlich oder
persönlich zu kommentieren. Auf der anderen Seite war es natürlich
bescheuert, mich von jemandem derart beeinflussen zu lassen. Ich wollte
schreiben, ich brauchte die Öffentlichkeit, also beschloss ich, mich nicht
beirren zu lassen. Sie
schrieb weiter. Ich schwieg weiter. Aus
März wurde Juni. Ich machte mir langsam Hoffnung. Zwischen ihren
letzten Mails war ein ganzer Monat verstrichen. Die
Bemerkung mit den "verschlüsselten
Signalen"
ging mir wieder einmal so richtig auf den Keks. In meinem damaligen Beitrag war doch absolut nichts
verschlüsseltes. (Wie kann man nur annehmen, dass das Thema Scharping so
etwas überhaupt her gibt?) Ich wollte mich mit einem bissigen Kommentar
abreagieren, also leitete ich die Mail mit einem kurzen Begleittext an
Pauline weiter. Zumindest dachte ich, dass ich das tue. Diese
Verwechslung ist so banal, dass ich mich fast schäme, es zu erzählen. Sie
kennen die Sache mit den vertauschten Briefen, das ist ja ein Klassiker. Nun,
mit e-Mails geht's noch leichter. Aber lesen Sie bitte doch selbst. Als
eine Stunde später ihre Antwort kam, habe ich eine ziemliche
Weile wohl ganz blöd ausgesehen. Ich habe die Nachricht dreimal lesen müssen,
bevor ich einigermassen verstand, was passiert war. Allerdings muss ich diese
Aussage darauf beschränken, dass ich die allgemeine Lage verstand, die Art
ihrer Reaktion jedoch überhaupt nicht. Was ich mir in so einem Fall
vorstellen kann, das ist ein sofortiger Abbruch aller Beziehungen, mit oder
ohne Beschimpfungen. Wie sollte ich die Sachen werten, die ich nicht zwischen
den Zeilen lesen durfte, die aber doch da waren? Und was um alles in der Welt
hatte das Ganze mit Lafontaine zu tun? Doch nicht "...stur wie ein
Esel"? Lachhaft. Und warum klang das Ganze fast wie eine Entschuldigung? Wie dem
auch sei, es gibt Situationen, die man nicht einmal seinem Todesfeind
wünscht. Für diese Panne musste ich mich einfach entschuldigen. Das schrieb ich auch Pauline, als ich sie
postwendend über die Peinlichkeit in Kenntnis setzte. Ich
verfasste meine Entschuldigung ganz kurz, meinte es jedoch Wort für Wort
genauso, wie ich es schrieb. Ihre Antwort zeigte volles Verständnis. Für
einen Augenblick fühlte ich mich ziemlich mies. Erst später am Abend, während
ich Pauline das Geschehene im Detail erzählte, fiel mir die versteckte
Drohung auf. "Bei
der Antwort ahne ich Böses. Ich hätte mir die Entschuldigung lieber
verkneifen sollen." Sie
brachte es auf den Punkt. "Ein
bisschen viel Verständnis, meinst Du nicht auch?" sagte sie spöttisch.
"Ich bedaure Dich wirklich. Da hast Du Dir offenbar was ganz besonderes
angelacht." Ich
habe mich später gefragt, was wohl passiert wäre, wenn ich mich nicht
entschuldigt hätte. Heute bin ich absolut sicher, dass es keinen grossen
Unterschied gemacht hätte. Das
Schema blieb in etwa gleich. Sie reagierte auf irgendein Stichwort von mir,
tadelte mich wegen meines Pessimismus und fügte irgendwas total unpassendes
bei: Einen Witz, einen Spruch, ein Gedicht. Meistens war meine Rubrik der
Auslöser. Der einsame Spaziergang im Schnee war "zum
Fürchten",
meine eigenwillige Geschichtsinterpretation ein Gedicht wert, die messianischen Gedanken wurden mit einem Spruch von einem unbekannten Verfasser
belohnt. Speziell für mich bestimmt. Sie traute sich scheinbar nicht, mit
manchen Sachen öffentlich aufzutreten, konnte den Mitteilungsdrang jedoch
nicht bremsen, da musste ich wohl herhalten. Das heisst noch lange nicht,
dass ihre Präsenz am Schwarzen Brett schwächer als früher wurde. Sie bot nach
wie vor allerlei an, von Büchern bis hin zu Verlautbarungen der Evangelischen
Gemeinde in M. Häufig streute sie noch einige Lebensweisheiten ein, so wie hier.
(Bei der Aussage "Verschwiegenheit erwirbt Liebe" lief es mir kalt den
Rücken 'runter. "Hoffentlich meint sie nicht mich..." dachte ich
beunruhigt.) Bei
meinen Gesprächen mit Pauline über das Thema schwankten wir zwischen Amüsement und
Verärgerung, wobei meistens ich derjenige war, der die Sache nicht lustig
fand. "Vielleicht
solltest Du ihr doch antworten und klar machen, dass Du nicht mehr auf der
Suche bist" schlug Pauline vor. "Jetzt bist Du doch bestens
versorgt" sagte sie voller Besitzerstolz. "Den
Teufel werde ich tun!" Ich war jetzt richtig sauer. "Dann
habe ich einen anderen Vorschlag. Ich komme zu Dir in die Firma und hole Dich
ab. Wir knutschen am Tor in aller Öffentlichkeit, so etwa eine halbe Stunde
lang. Und von Zeit zu Zeit gebe ich Dir noch einen Klaps auf den Hintern. Na,
wie wär's damit?" "Dann
steht es am nächsten Tag in der Bildzeitung 'Führungskräfte der Firma
Dingenskirchens zeigen Volksnähe' oder so ähnlich." (Vor einigen Tagen
war im Regionalteil des besagten Blattes eine grosse Reportage über
Dingenskirchens erschienen, mit Interviews und Fotos von lauter hübschen
Frauen. Und mit den üblichen blödsinnigen Kommentaren.) "Na,
und? Dann wissen wenigstens alle Bescheid. Deine Sekretärinnen auch. Und auch
Laura." Jaja,
die Laura. Es lag ihr immer noch viel daran, mir zu beweisen, was ich doch
für ein Unmensch war. Ich
biss die Zähne zusammen und liess die Mails von Hilde weiter über mich
ergehen. Warum
nur nannte sie meinen Geistesblitz über Loyalität kryptisch? Hier war die Aussage doch
sonnenklar. Mittlerweile schickte sie mir sogar die Duden
Newsletter!
Dann schrieb sie mir in einem sehr vertrauten Ton, wohl nur damit sie sich
später entschuldigen konnte. Meine
Geduld schwand. Dann
war es so weit. Ich bekam von Ihr eine Mail mit einem angehängten Intelligenztest. Jetzt
hatte ich endgültig die Nase voll. Ich liess
sie wissen,
dass ich mich von ihrer Anhänglichkeit belästigt fühle und drohte mit
Konsequenzen. Meine Antwort war eine spontane Reaktion. Ich übersah dabei die
Tatsache, dass der sogenannte Inteligenztest nicht nur blöd war, sondern auch
anzüglich. (Den Anhang habe ich nämlich erst später am Abend geöffnet. Sie
glaubt wohl heute noch, dass meine Verärgerung mit Prüderie zu tun hatte.
Einmalmehr entschuldigte sie sich, diesmal jedoch in indirekter
Form.) Ich
habe noch etwas anderes übersehen. Seit meinem Entschuldigungsschreiben nach
der verkehrt adressierten Mail war ein ganzes Jahr vergangen. Ich hatte ihr
während dieser Zeit kein einziges Mal geantwortet. Ich
hatte jetzt jede Menge Zeug geschrieben und wusste nicht so recht, was ich
damit machen sollte. Die Rubrik am Schwarzen Brett war vielen ein Dorn im
Auge. Ich wurde anonym angepöbelt, frech-höflich von irgendwelchen Idioten
darauf hingewiesen, dass meine Beiträge hier nichts zu suchen haben, und nach
wie vor von Laura öffentlich wie privat angegiftet. Dann gab's eine Zeit, wo
die IP von den Intranetbeiträgen verschwand. Die Schwarzen Bretter wurden
schnell zu einer Art Chatroom. Es wurde im Schutze des Anonymats gelabert,
was das Zeug hielt. Ich beschwerte mich und erklärte unter diesen
Bedingungen meinen Rücktritt vom Schwarzen Brett. (Die Begründung unserer zentralen IT-Abteilung
war hirnrissig: Weil die IP rechnerbezogen ist, kann die Authentizität eines
Eintrages nicht garantiert werden. Es kann ja auch eine fremde Person von
diesem Rechner schreiben und sich für mich ausgeben. Und ausserdem gäbe es
jede Menge Falschzuordnungen und gemeinsam genutzte Rechner. Das Ergebnis war
jetzt, dass sich jeder für mich ausgeben konnte... Zum Glück war der
Zustand nicht von Dauer: Zwei Wochen später wurde diese Massnahme ohne jegliche Erklärung zurück
genommen. Der einzige Unterschied im Vergleich zu früher war, dass ich jetzt
ein paar neue Feinde hatte.) Alles in allem: Ich hatte immer weniger Lust,
mich im Intranet zu betätigen. Ich
sass eines Tages am Rechner und schrieb gerade eine Glückwunschmail an einen
Bekannten. Pauline guckte mir über die Schulter. "Deine
Texte haben immer einen gewissen Biss, das muss ich Dir lassen! Wie wäre es,
wenn Du für ein Satiremagazin schreiben würdest? " fragte sie mich. Ja,
warum eigentlich nicht? Ich machte eine Recherche im Netz, fand eine ganze
Menge Unsinn vor und suchte zum Schluss zwei Internetmagazine heraus, die in
etwa meinem Niveau entsprachen. Ich schrieb sie an und fragte nach einer
möglichen Kooperation. Beide waren sie im Prinzip interessiert. Letztendlich entschied
ich mich für das weniger bekannte von den beiden: Zynismus und verkappte
Pornographie sind nicht unbedingt mein Fall. So fing ich also an für
fetzig.de zu schreiben. Ich bekam eine eigene Rubrik, die ich wöchentlich
aktualisierte, und war ungemein stolz darauf. Ich war
nicht der einzige Gastautor, der für dieses Magazin schrieb. Ich fand einige
Beiträge von Aramis und Athos, die mich wirklich beeindruckten. Ich machte
die HP von Aramis ausfindig, las seine Texte und studierte sein Gästebuch. Das
alles gefiel mir ausgezeichnet. Das Gästebuch war eigentlich kein solches,
das war eine Plauderecke, wobei es sprachlich auf hohem Niveau geplaudert
wurde. Hier mischte noch ein dritter Musketier mit, natürlich der gute
Porthos. (Gelegentlich tauchte auch eine junge Dame auf, sie schien jedoch
aus einem anderen Roman zu stammen.) "Leider
kann ich die Rolle von D'Artagnan nicht spielen, dazu bin ich viel zu alt...
ich kann hier aber schreiben lernen" beschloss ich. Ich
drängte mich auf, ganz sachte. Die drei Musketiere liessen das zu. Und nach
und nach fing ich doch an, mich wie ein D'Artagnan zu fühlen. Jetzt
änderte sie radikal ihre Strategie, die Hilde. Sie
hörte auf, mir Mails zu schicken, stattdessen kommentierte sie hartnäckig
jeden Rubrikbeitrag von mir. (Ein weiterer Trick war, dass sie sofort einen
eigenen Beitrag neben meinen setzte. Ich verschenkte Gedanken, sie
verschenkte eine Gardinenstange, den bereits erwähnten Kalender vom Vorjahr
oder den berühmten, immer wieder kehrenden "leicht reparaturbedürftigen
Weidekorb". Oder halt was anderes. Sie war immer in meiner Nähe.) Der Ton
ihrer Kommentare wurde mir gegenüber auch etwas unfreundlicher, wie's mir
schien. Jedenfalls, sie hatte immer etwas auf Lager: Eine Erklärung, einen
Ratschlag, eine eigene Anekdote. Im Falle meiner Erziehungsprobleme, als mir Laura Trost
spendete, stimmte sie ihr wortreich zu. (Ich fand
diese Konstellation, wie sie mit Laura im Kanon sang, besonders pikant. Da
kann ich dem Leser noch einiges in der Art versprechen...) Meine Urlaubserfahrung mit den Strassendirnen konnte
sogar als Anlass für zwei Wortmeldungen gelten. (Hier war wieder eine
indirekte Entschuldigung für den anzüglichen Test versteckt.) Und so ging es
immer weiter und weiter. Meine Tirade gegen das Internet brachte mir einen diffusen Kommentar, der mit dem tiefsinnigen Schlusssatz kulminierte
"wer A sagt muss noch lange nicht B sagen", die "Kinderungeheuer" aus Germersheim wurden von ihr
mit Kindersoldaten assoziiert. Die dem Leser
bereits bekannte Episode mit der Bildzeitung und mein
Kommentar dazu
lieferten ihr wieder genug Stoff für zwei Meldungen. Darüberhinaus
schrieb sie natürlich nach wie vor auch jede Menge Sachen, die nichts mit mir
zu tun hatten. Wollen Sie ein paar Kostproben aus dieser Zeit haben?
Jedenfalls schaffte sie es, jeden Tag Monat für Monat mit mindestens einen
Beitrag präsent zu sein. (An einem Tag hatte sie sogar sechs Wortmeldungen:
Das war ihr bisheriger Rekord.) Sie war unsere eifrigste Intranetuserin
überhaupt. Keine Kleinigkeit, bei fast zehntausend Teilnehmern. Dann
kam die Sache mit den Anonymbeiträgen. Ich führte einen Feldzug gegen die anonymen Schreiber im
Intranet. Das konnte sie natürlich nicht unkommentiert stehen lassen. Aus Prizip und überhaupt. Jetzt hielt
ich die Zeit für reif, um sie auch öffentlich zu bitten, mich in Ruhe zu
lassen. Aus ihrer Antwort erfuhr ich eine Menge. Sie
dachte überhaupt nicht daran, meiner Bitte zu entsprechen. Sie schreckte nicht
davor zurück, mir meine eigenen Argumente, die ich vor einiger Zeit in einem
Wortgefecht mit einen anderen Internetmatador eingesetzt hatte, unter die
Nase zu reiben. (Das nenne ich Lernfähigkeit!) Ich erfuhr auch, dass sie
meine Gedanken manchmal für "ein bisschen ungeordnet" fand. (Ob
Sie's glauben oder nicht, lieber Leser, in diesem Punkt fühlte ich mich
wirklich geschmeichelt. Was sie unter "geordnet" versteht, können
Sie z.B. hier nachlesen...) Das Allerwichtigste
erfuhr ich jedoch aus einem späteren Beitrag von ihr: Der Grund ihrer
erneuten Einmischung war nicht die alte Anhänglichkeit, nein, es passte
einfach mal wieder... Na also... wenn das so war... jetzt konnte ich aber
wirklich beruhigt sein! Um
meine Laune endgültig zu vermiesen, setzte Laura einige Zeit später -als
hätte ich nicht schon lange gewusst, woran ich bei ihr war-, noch einen drauf. Da hatte
ich mir in der Tat was angelacht. Hilde und Laura. Jede schon für sich allein
ein schwieriger Fall, jetzt machten sie gemeinsame Front gegen mich. Ich
köchelte noch, als die Opis Eier einfach dazwischen plumpsten. Unser
Mundartdichter Albert H. Beil gab einige Haiku am Schwarzen Brett zum besten.
Die
Hilde, die, wie sich der Leser vielleicht noch erinnert, den Mundartdichter
im Schutze des Anonymats ziemlich unsanft angerempelt hatte (und hinter
vorgehaltener Hand erzählte: "Er hat bei mir definitiv
verschissen"), wurde unter ihrem echten Namen viel freundlicher. Als
dieser einmal sogar unter Plagiatverdacht stand, nahm sie ihn in Schutz. (Sie nahm ihn dabei auch
ziemlich auf den Arm, wie ich fand. Er fand das nicht, jedenfalls schrieb er etwas nettes zurück.) Hier
stimmte auch die Laura mit ihrer Lobeshymne an Hilde ein. Und die
Hilde wurde übermütig: Sie liess den Witz mit den Opis Eiern los, den konnte
sie einfach nicht bei sich behalten. Sie konnte doch nicht die Gelegenheit
verstreichen lassen, dem A.H. Beil eine richtige Freude zu machen. (Nebenbei
erwähnte sie auch die literarischen Talente von Laura, die einmal mehr die
Gelegenheit nutzte, um ihr Klagelied gegen mich vorzutragen.) Das
alles war jetzt zu viel für mich. Also
stellte ich Hilde ein paar -wie ich meine- absolut berechtigte Fragen zu der Eiergeschichte.
Öffentlich. Denn schliesslich war sie jetzt auch eine öffentliche Person,
nicht wahr? (Laura erwähnte ich dabei nur beiläufig, obwohl sie eigentlich
auch eine richtige Watsche verdient hätte.) Ich
wusste, dass ich damit auf eine Schwachstelle treffe: Die ach so prüde Hilde
war auch von der Gegenseite der Prüderie ziemlich fasziniert, da war ich mir
ziemlich sicher. Gelegentlich blitzte das auf, wie z.B. bei dem Karottentest
oder bei Empfehlungen wie: "Man sollte mit einem guten Buch ins Bett
gehen. Oder wenigstens mit jemandem, der eines gelesen hat." Ob sie das
wahrnahm? Wenn ja, dann hatte sie alle Hände voll zu tun, um die zwei
gegensätzlichen Hälften ihres Ich trotz heftiger Fliehkraft zusammenzuhalten.
Jedenfalls, dieser Umstand gehörte definitiv nicht zu den Sachen, die mich an
ihr wirklich gestört haben. Ihre Verklemmtheit ging mich nichts an,
vorausgesetzt sie wollte diese nicht an mir ausleben. Ihre Antwort liess mich aber erkennen, dass
ich das Ausmass ihrer inneren Zerrissenheit gewaltig unterschätzt hatte. Sie
war regelrecht verstört, so weit wollte ich mit meiner Strafaktion gar nicht
gehen. Anders kann ich mir ihren Wortschwall und die konfusen Ausführungen
nicht erklären. Die Sache mit dem Karottentest kam erneut auf den Tisch, wir drehten uns im Kreis. Wie
konnte ich ihr nur erklären, dass Sie mich mit ihrem ganzen Wesen abstiess,
und nicht bloss wegen dieser lächerlichen Episode? Langsam fing ich an, sie
nicht nur zu hassen, sondern auch für krank zu halten. Jetzt
hatte ich wieder Mitleid mit ihr. Ich entschuldigte mich wieder, diesmal
öffentlich. Und ich liess mich wieder auf einen kurzen Mailwechsel mit ihr ein, um die Sache zu
bereinigen. Da war aber nichts zu bereinigen, sie machte mir das unmöglich,
indem sie von mir auch die Löschung ihrer
Intranetwortmeldungen verlangte. Sie hatte mich wieder da, wo sie mich haben wollte, wir
führten wieder Korrespondenz. Sie war mir nicht einmal richtig böse, sie war
nur gekränkt. Ich hatte das Gefühl, sie drohte wieder mit Vergebung. Was war
ich nur für ein Idiot. In meiner (vorerst) letzten Mail an sie wünschte ich ihr noch
"Alles Gute". Ich hätte statdessen schreiben sollen: "Ach,
häng Dich doch auf, Weibsstück!" Vielleicht wäre sie meiner Aufforderung
sogar nachgekommen, wer weiss. Erleichtert hätte es mich allemal. Anfang
2002 machte ich dann meinen nächsten Fehler: Ich dachte, ich sollte mal für www.fezzig.de und für meine Homepage ein bisschen Werbung machen und
gab beide Adressen am Schwarzen Brett an. Es
passierte zunächst nicht viel. Laura
beklagte sich öffentlich darüber, dass meine Empfehlung ganz und gar nicht
lustig war.
Sie konterte mit der Angabe ihrer Lieblingsseite www.pusteküchen.de. (Ich hingegen fand ihre Antwort ausgesprochen
lustig.) Dann
tauchte im Gästebuch von Fezzig ein misteriöser Eintrag auf. Der Schreiber bewies mit
der Erwähnung meiner Trilogie, dass er meine Texte kannte,
ansonsten konnte ich ihn nicht einordnen. Ich fahndete in meinem
Bekanntenkreis nach dem Scherzkeks. Keiner wollte es gewesen sein. Ich
antwortete. Die Quintessenz war, dass ich dem Unbekannten grosszügig die Wahl
der Waffen überliess. Jetzt
ging die Lawine los. Hilde gab sich im nächsten Eintrag zu erkennen,
natürlich durch Andeutungen, die nur ich allein verstehen konnte. Sie freute
sich diebisch, dass ich wieder mit ihr rede, und sagte das auch. Die Opis
Eier waren schon vergessen. Auch
Laura tauchte auf. Jetzt war sie auf einmal voller Lob für meine Kreationen. Hilde
tauschte ihre Nicks genauso häufig wie ich meine Socken. Sie stellte dies
jedoch so an, dass jeder wissen sollte, wer sich dahinter versteckt. Beweisen
konnte jedoch niemand etwas. Sie machte in ihrem üblichen Stil seitenlange
Einträge, die überhaupt nicht zu einem Gästebuch passen: Hier kam niemand
mehr an ihrem fetten Ego vorbei. Pauline
wurde langsam auch sauer und schaltete sich sebst ein. Sie nahm Hilde gehörig
auf die Schippe, diese verstand das alles als Kompliment: Sie hatte genauso
viel Feingefühl wie eine Planierraupe. Hier
machte ich einen weiteren Fehler: Ich versuchte selbst, getarnt als
"Werner", in meinem einzigen anonymen Auftritt überhaupt, die Hilde
rauszuekeln. Da war nichts zu machen: Sie erwiderte jede versteckte
Beleidigung mit Äusserungen wie "Lassen Sie doch den patriarchalischen
Schmonzes, lieber Werner!" oder "Ich tue nicht nur gebildet, ich
bin es tatsächlich" und setzte ihre langweilige Schreiberei fort. Die
Situation wurde langsam peinlich. Alles drehte sich im GB um mich, meine
"Kolleginnen" sorgten dafür. (Der
einzige lustige Augenblick während dieser ganzen Zeit war, als mir Pauline
einmal gestand: "Irgendwie ist mir dieser Werner sehr sympathisch. Er
schreibt mir von der Seele." Ich
fing an zu kichern und verriet mich prompt.) Ich
schrieb die Redaktion von Fezzig an, erklärte die Umstände und entschuldigte
mich. Die
Reaktion war sehr vernünftig, aber bestimmt. Ich anonymisierte das Schreiben und schickte es kommentarlos an
die geschäftliche Mailadresse von Hilde und Laura. Laura
zeigte sich einsichtig. Hilde hatte zwei Wochen Urlaub, wie ich aus einer
automatischen Mailantwort entnehmen konnte. Sie schrieb unentwegt weiter, von
ihrem privaten Anschluss oder aus einem Internetcafe, der Teufel allein weiss
das. Ich schilderte die Lage und bat die Redaktion um Aufschub. Als
Hilde wieder im Büro war, antwortete sie mir. Sie regte sich über
den anonymen Fezzig Redakteur auf (!), gab sich jedoch (fast) einsichtig. Kurze
Zeit später tauchte sie wieder im GB mit der Kampfansage auf: "Ab jetzt:
Rapunzel!" Laura folgte. Das Gästebuch wurde vom Netz genommen*. Es war
jetzt an der Zeit, die zwei Kolleginnen miteinander bekannt zu machen, was
ich letztendlich auch tat. * Das GB
erschien später wieder, jedoch in bereinigter Form. Das ist auch der Grund,
warum ich dem Leser hier nicht alle geistreichen Kreationen zeigen kann. Ich
fragte vor kurzem bei Fezzig nach, ob vielleicht eine Kopie aus der Zeit vor
der Löschaktion noch da wäre. Die Redaktion winkte ab, offenbar aus Angst vor
Rechtsstreitereien. Dass dies eine durchaus gesunde Einstellung ist, wenn man
mit Hilde zu tun hat, wird sich später noch zeigen. Während
der Fezzig-Episode sagte Pauline einmal zu mir: "Du solltest Dich
glücklich schätzen, wenn die Hilde nicht auch den Weg zu Eurer Plauderecke
findet!" Gemeint war das Gästebuch von Aramis: Seine HP hatte ich ja auf
meiner Seite verlinkt, die Gefahr bestand also durchaus. Ich verdrängte
diesen Gedanken, denn das war für mich eine echte Horrorvision. (Was hätte
ich aber auch tun können? Den Link löschen? Mich erschiessen?) Natürlich
passierte es irgendwann. Um es genauer zu sagen, am Montag, den 1 Juli 2002,
um 09:45:22. Sie unterbrach jäh unsere friedliche
Fussballplauderei. Diesmal hiess sie Margrethchen. Vergessen waren meine
Versuche, sie zu vergrätzen, alle meinen Beleidigungen, sie hatte mich wieder
einmal da, wo sie mich haben wollte: Ich konnte mich nicht wehren, ich gehörte
ihr. Meine Wünsche waren ihr völlig gleichgültig. Sie überfiel mich mit
Wonne. Das war eine regelrechte Vergewaltigung. Ich
unternahm einen schwachen Versuch, sie zu vertreiben, in dem ich
meine e-Mail Adresse angab und indirekt um eine persönliche Nachricht bat.
Genausogut hätte ich einen fahrenden Zug anhalten können, sie war total aus
dem Häusschen. Ab da
ignorierte ich sie vollständig. Völlig
geknickt schrieb ich Athos, Porthos und Aramis an, erklärte die Lage und
fragte, was zu tun sei. Es kamen von allen Seiten ermunternde Worte, jeder
der drei Musketiere kannte so eine mehr oder weniger ähnliche Geschichte,
halb so schlimm, sagten sie alle. Das Stichwort war "ignorieren".
In der Anfangszeit hielt sich keiner ausser mir konsequent daran, offenbar
unterschätzten sie die Hilde. Aramis
versuchte es mit dezenten Beleidigungen, Drohungen, Klartext, Löschung eines Eintrages. Athos nahm sie
ständig auf den Arm. Nichts half, sie machte weiter mit ihren
Peinlichkeiten wie "Cheeefchen", "MÄNNER!", "Will
wieder mal die Augen senken", "Noch ist Polen nicht verloren! Piff!
Paff!". Mit der
versteckten Drohung, sie blosszustellen, konnte ich sie für kurze Zeit
verunsichern. Sie kam aber wieder. Ob einer
von den drei Musketieren als Merkur und Gunnar auftrat, weiss ich bis heute
nicht. Sie gab sich jedenfalls mit beiden überhaupt nicht ab, womöglich
meinte sie, dass solch anonyme Wortmeldungen weit unter ihrem Niveau wären. Porthos
ist ganz der spontane Typ. Er versuchte es erstmal durch
die Blume
("Boah, Weibsbild! Mach nen Abgang!"), dann stellte er ihr die
erste Diagnose: " paranoid-halluzinatorisches Syndrom". Jetzt
hasste sie ihn. Daraufhin erklärte sie nach einigem Hin und Her ihren Rücktritt, wünschte uns allen viel Glück,
und machte kurze Zeit danach doch weiter. Mir
platzte wieder der Kragen. Ich veröffentlichte in Aramis GB Ihren Namen samt
Wohn- und e-Mail-Adresse, Telefonnummer und alle mir bekannten Nicks. Am nächsten
Tag schrieb sie mir an meine Geschäftsadresse: "Bevor
ich öffentlich reagiere, Herr Kurtz, möchte ich gern persönlich mit Ihnen
reden. Blah, blah, blah." Ich schrieb
zurück,
vereinbarte ein Telefonat am Spätnachmittag des gleichen Tages und steckte
die aus meiner Sicht sinvollen Grenzen für eine mögliche Abmachung. Dies liess ich sowohl sie als auch Aramis
wissen. Dann
redeten wir, etwa eine Stunde lang. Ich
versuchte erneut, ihr meine Empfindungen zu schildern. Ich erklärte ihr, was
meiner Meinung nach ein Gast tun darf und was nicht. Ich erklärte ihr auch,
dass sie nunmehr etliche Male versucht hatte, mich zu einer Beziehung zu
zwingen, die ich einfach nicht will. Und dass ich so etwas als Nötigung
auffasse. Darauf
ging sie nicht ein. Alles, was ihr nicht gefiel, ignorierte sie glatt. Es
kamen keine Vorwürfe, sie wich in ihrer trägen Art nur aus, sie war stur wie
ein Maultier. Sie signalisierte jedoch Kompromissbereitschaft. Sie verstünde
zwar nicht, warum das für mich so schlimm sei, aber, bitte schön, sie sei
nicht so eine. In
diesem Gespräch schien mir die Lage wieder einmal so zu sein, als hätte sie
mir alles vergeben. Ich konnte machen, was ich wollte, so richtig böse wurde
sie mir nicht. Das war ja wirklich beunruhigend. Porthos ja, das war ein
Schlimmer, er hatte sie beleidigt. Den Athos liess sie aussen vor, an Aramis
liess sie kein gutes Haar. (Sie "verstand" seine Dichtung nicht,
also musste sie schlecht sein. Das hätte sie sogar mit einer guten Freundin
von ihr besprochen, die ihr hundertprozentig beipflichtete. Na, wenn das kein
Beweis war...) So ging
es immer weiter. Schliesslich entlockte ich ihr das Versprechen, mich und das
Gästebuch von Aramis in Ruhe zu lassen. Ich versprach meinerseits, dass ich
mich um die Löschung meines Beitrags mit ihren persönlichen Daten bemühen
werde. (Das tat ich dann auch. Die Löschung wurde von Aramis am gleichen
Tag noch erledigt.) Am
nächsten Tag kam noch eine Mail von ihr. Sie hatte "die
Quintessenz unseres Telefongesprächs in anderer Erinnerung." (Ja, was
denn sonst, die Löschung war bereits vollzogen.) Sie
versprach zwar, die anonymen Einträge einzustellen, wollte sich jedoch eine
Hintertür offen lassen: "Sollte
ich mich, sachbezogen, zu Wort melden, werde ich mich zu erkennen
geben." Sie
musste krank sein. Jemand, der nicht erkennt, dass er durch sein Benehmen
jegliches Gastrecht in diesem Gästebuch verspielt hat, der muss einfach krank
sein. Die
Gewissheit, dass das wirklich stimmt, bekam ich, als ich den Text las, den
Sie Aramis geschrieben hatte. Da
stand es, ganz zum Schluss, doch tatsächlich drin: "Trotzdem kann ich immer noch nicht ganz verstehen,
was ich so Schlimmes getan haben sollte. Ein Gästebuch, das in so
ansprechenden Worten "Jetzt trage ich mich hier aber auch ein!"
einlädt und dann zur Diskussionsrunde über Fußball und Hochprozentiges verkommt?!
Ich habe doch da nur etwas Pep reingebracht und dann, vielleicht, über die
Stränge geschlagen, nachdem ich auch teilweise von Ihrem einen Kollegen
ziemlich rüde angegangen worden bin. Es freut mich jedenfalls, dass Sie das
haben stehen lassen. Und dann, lieber Aramis, haben Sie auch einen gewissen
Mutwillen an den Tag gelegt, auf den ich eingegangen bin - mir schien
gelegentlich, Sie fänden die "Sache" auch ganz witzig." Cheefchen
Aramis soll die "Sache" gelegentlich ganz witzig gefunden haben?
Sie war wirklich krank. Was muss sich, um alles in der Welt, im Kopf einer
solchen Person abspielen, damit die Wirklichkeit dermassen verzerrt wird? Sei's
drum. Für kurze Zeit habe ich gehofft, dass wir nach dieser Abmachung das
ganze Theater endlich hinter uns hatten. Rückfall Sie überfiel zwischendurch so ganz nebenbei das Gästebuch von Porthos, das
dummerweise kein Teil der Abmachung war. Natürlich bekam ich Wind davon, mischte mich ein und drohte schliesslich wieder mit Entlarvung. Sie verschwand. (Sie hatte nur eins erreicht: Durch ihre Interpretation des Ionescu-Zitats bewies sie einmal mehr, wie
gründlich sie meine Absichten missverstand.) Kurze
Zeit danach machte sie in der Wahlkampfzeit als "Stimmvieh" eine
Stippvisite bei Aramis und erläuterte uns ihre politischen Präferenzen. (Das
war wohl ein Test, ob Aramis auf ihre IP reagierte. Irgendwann muss sie auch
angefangen haben, einen privaten Internetzugang zu benutzen, denn sie schrieb
neuerdings auch ausserhalb der Arbeitszeit. Vielleicht wollte sie das
testen?) Dann
ergab sich eine gute Gelegenheit für sie, Trittbrett zu fahren. Wir alle
(weniger Porthos) gestatteten www.pusteküchen.de vor kurzem einen
Freundschaftsbesuch und waren jetzt gerade dabei, im GB von Aramis die
Scherben vom Gegenbesuch zusammen zu fegen. Sie meldete sich als Tonia
zu Wort, warf als Einstieg ein wenig mit verdeckten Beleidigungen um sich,
und fing später an, mit uns zu plaudern, als wäre nichts gewesen! Es
gibt eine einzige Person auf dieser Welt, die über ein solches Mass an
Unverfrorenheit verfügt. Sie war es schon wieder. Und das machte
ich auch klar. Sie kam aber wieder. Sie versuchte wieder -um Ioio zu zitieren-
"die Frauenkampfzone" zu etablieren. Weil der Rausschmiss
unausweichlich war, schien es viel einfacher für sie, als Frau von bösen
Männern rausgeschmissen zu werden, als als Internetschmeissfliege, was sie
eigentlich war. Sie versuchte sogar, die ahnungslose Su und die Tanja mit
hineinzuziehen. Ich veröffentlichte im Aramis GB am 27 September 2002 wieder Ihre
persönlichen Daten, mit zwei winzigen Änderungen: Ich ergänzte die Liste
ihrer Nicks und schrieb statt "furchtbare Person" einfach
"Internetschmeissfliege". Ich fand das irgendwie passend. Die
Sache eskalierte dann, als sie unverhohlen ihre Abneigung kund tat: Sogar der diplomatische Aramis wurde deutlich. Mehr Rückfälle Fast
den ganzen Oktober hatten wir dann Ruhe, ich fing ganz allmählich an zu
hoffen, dass wir sie los wurden. Pauline war da skeptischer. Dann
kam die Gartengeschichte. Aramis machte im litblogbw die folgende Eintragung: Neue Spartenliteratur im Netz Spartenliteratur ist schwer im Kommen, selbst im Netz.
Was thematisch vorverdaut wird, erleichtert vielen den Zugang zur Kunst. Eine
besonders abstruse Seite findet sich für Laubenfreaks: Literatur für den
Rundgang zwischen den Gartenzwergen, in der einen Hand die Plastikgießkanne,
in der anderen die Loseblättersammlung. Einfach herzzerreißend dämlich. www.gartenliteratur.de www.vonaramis.de Die
logische Konsequenz war, dass er jetzt im litblogbw von den Fans der besagten
Seite selber als "herzzerreissend dämlich" bis "perfide arrogant"
bezeichnet wurde. Athos schlug im Aramis GB Alarm, ich eilte zur Hilfe.
(Porthos beteiligte sich nicht, der Feigling, konnte jedoch nicht vermeiden,
dass er später mit hineingezogen wurde.) Ich schrieb die gleiche Nettigkeit
im litblogbw und im Gästebuch der Gartenseite, da tauchte
schon die Hilde als Sandra auf. Im litblogbw war ich gerade dabei, einen
gewissen Klaus B. auf meine etwas hemdsärmlige Art zur Weissglut zu bringen,
da fiel sie über uns her. Sie nannte uns "die
trinkfeste Runde um Aramis" und wunderte sich, dass " die
intelektuellen Elfenbeintürmler aber auch in allen Foren zu finden
sind". Im nächsten Eintrag wies sie den Zengennessel barsch zu recht, der Aramis in
Schutz nahm, mit den Worten "Erlaubt ist was gefällt, lieber Herr von
Zengennessel, und Ihrer Webseite werde ich jetzt mal meine Aufmerksamkeit widmen."
Dann bescheinigte sie Aramis, dass er nicht dichten kann, und ganz zum
Schluss
liess sie durchblicken, dass ihr die "Laupenpieper und
Hundeliebhaber" auch ziemlich auf den Keks gingen, sie wollte diese nur
gegen den "intellektuellen Dünkel" verteidigen. Das war für mich
Anlass genug für eine düstere Prophezeiung bezüglich ihrer Zukunft. Im GB
der Gartenseite giftete sie insbesondere Porthos an,
der mit der ganzen Geschichte überhaupt nichts zu tun hatte. (Solche
Kleinigkeiten kümmern aber einen Trittbrettfahrer eben nicht. Und ausserdem
hasste sie ihn.) Jetzt
hatte ich wieder genug. Ich beglückwünschte Hr. Zengennessel dafür, dass er
kein Gästebuch auf seiner Homepage hat und gab dafür auch den Grund an: Hilde
Griess aus Vaterstadt und eine Auswahl ihrer Pseudonyme. Es
folgte wieder eine Ruhephase. Ende
November tauchte sie dann doch wieder im Aramis GB auf. Sie hiess diesmal
"Lecteur" und konnte logischerweise Französisch, womit sie auch mächtig
angab. (Sie
platzte in eine Diskussion über Symbolismus ein, den sie aber peinlicherweise
mit dem Surrealismus verwechselte. Und diese Surrealisten, man höre und
staune, die hatten alle ein Problem mit Frauen und mit Alkohol. Das stammte
wohl aus ihrer feministischen Literatursammlung.) Es
passierte nichts. Keine IP-Sperre, kein Rausschmiss. Der Test war geglückt. Mitte
Dezember machte sie mit einem anderen Lieblingsthema von ihr, Religion, ihren
Auftritt als Kilroy. Als erstes setzte sie sich ein wenig in die Nesseln,
indem sie gleich dem Elch in seiner religionspolitischen Auffassung
widersprach, und dann dem Ioio die geographische Definition vom Mitteldeutschland streitig
machte. Mit dem Exkurs über die Önomanie kam sie auch nicht besonders
gut an. So was steckte sie aber weg wie nichts. Sie nutzte meine gezwungene
Abwesenheit (ich war wieder einmal in Siebenbürgen ohne Internetanschluss)
voll aus: man ging ihr auf den Leim. Dummheit
läuft meistens irgendwann über, und bei ihr war genug davon vorhanden. Als
sie anfing, Fernsehtipps zu geben, dämmerte es langsam bei allen. Pauline
fing an zu kochen: Wir telefonierten täglich, sie berichtete mir u.a. auch
von den Einträgen und wusste, dass ich mich schwarz ärgerte. In einem anonymen
Eintrag als
"Hildegeschädigte" schlug sie Hilde vor, wo sie ihren Mist abladen
sollte. Die
Reaktion von Hilde war lustig. Sie gab auf einmal eine @gmx
Adresse an,
um kurze Zeit später in einer konfusen Erklärung Gründe dafür anzugeben, warum
diese Adresse nicht (mehr) funktionierte. Wieder
einmal hielt ich die Zeit für reif, Klartext zu sprechen. Sie
versuchte es danach immer noch einige Male als Kilroy. Sie machte einen halben
Abgang mit
der Erwähnung des Dracula-Aufklebers ("Piei, drace" heisst übrigens
auf Rumänisch so etwas wie "vade retro, satanas" und hat mit
Dracula nichts zu tun), kam zurück, wechselte den Namen und kam
als Renate Weber wieder, jedoch nur um sich kurz danach endgültig zu
verraten. Denn sie hatte als Renate Weber eine überaus höfliche Mail von
Pauline erhalten. Darauf musste sie einfach reagieren. Es war
aus. Als ich
aus Rumänien zurück kam, wartete zuhause ein Berg von Post auf meinem
Schreibtisch. Darunter befand sich auch ein Brief des Anwaltbüros
Paviani&Spontanelli Milano/Taranto, mit Datum vom 18.12.2002. Sie
handelten im Namen von Hilde Griess. Ich
wurde aufgefordert, die: "von
Ihnen begangenen Internetauftritte unter der Homepage www.vonaramis.de, wo
Sie am Freitag, den 27.9.02 um 20:10 Uhr meine Mandantin zum Beispiel als
'Internetschmeissfliege' bezeichnet haben, zu unterlassen. Sie hatten damit
eindeutig die Absicht, meine Mandantin zu beleidigen." (Ja, was denn
sonst?!) Die
Anwälte erwarteten von mir eine Antwort bis spätestens zum 30.12.2002. Ich
denke, die warten noch heute, wenn sie nichts besseres zu tun haben. Ich
machte davon Kopien und schickte sie noch vor der Jahreswende den drei
Musketieren zur Kenntnis, ansonsten ignorierte ich den Brief. Ihre
letzte Karte hatte auch nicht gestochen. Hilde konnte sich jetzt nicht mehr
halten. Erneut aus dem GB rausgeschmissen und auf schändliche Weise
ignoriert, forderte sie von Aramis in einem wortreichen Eintrag die Löschung meines Beitrages
mit der Bekanntgabe ihrer Identität. Ich
signalisierte Aramis, dass ich mit der Löschung einverstanden war: Ich wollte
ihm keine Scherereien machen. Es
wurde gelöscht. Aramis erteilte ihr Hausverbot. Das hinderte sie jedoch nicht
daran, in einer weiteren ellenlangen Wortmeldung Gift und Galle zu spucken. Ein
ähnliches Spiel gab's auch mit dem litblogbw, hier wurde ihr Name durch
Initialen ersetzt. Sie
wird das wohl so empfunden haben, als wäre damit auch die allerletzte Brücke
zerstört. Das ist
aber Selbstbetrug. Es hat nie eine Brücke gegeben. Epilog Ich habe
beim Schreiben meiner Geschichte ernsthaft überlegt, ob ich die Hilde zum
Schluss nicht auf irgendeine Weise umbringen sollte. Alles reine Fiktion,
versteht sich. (Dies nicht so sehr aus Rache, meine Rachegelüste waren nach
und nach abgeflaut. Es ging mir bei diesem Gedanken lediglich um eine
praktikable Methode der Entsorgung. Sie war für mich mehr als nur lästiger
Ballast, sie war Gift. Sie hatte sich aufgedrängt, meine Zeit gestohlen,
meine Gedanken beansprucht.) Bei
dieser Lösung kamen mir jedoch grosse Bedenken: Sie wäre wohl als Phantom
(von einem Geist würde ich in ihrem Fall ungern reden) immer wieder
aufgetaucht, und sei es auch nur, um mir das Leben zu versauen. Die
einzige Lösung hiess: Ignorieren. Jawohl, ignorieren. Die Geschichte beenden
und als Schlusssatz schreiben: "Und
wenn sie nicht gestorben ist, dann schreibt sie noch heute." Und sie
dann endgültig vergessen. Was
passiert, wenn sie mir doch über den Weg läuft? Was
soll diese Frage? Sagte ich nicht bereits, ignorieren? Neulich
traf ich sie im Fahrstuhl, ganz allein. Ich hatte schon den Knopf für die
dritte Etage gedrückt, die Tür ging bereits zu, da konnte ich durch den Spalt
noch eine Bewegung erspähen. Jemand wollte noch rein. Ich schaffte es, den
Fahrstuhl in letzter Sekunde zu stoppen. Es wäre besser gewesen, ich hätte es
nicht geschafft, denn die Tür ging auf und die Hilde kam rein. "Ach, das
hat noch geklappt", sagte sie und drückte die Vier. Dann schaute sie
mich an und fragte "Meinen Sie nicht auch, dass die ganze Sache langsam lächerlich
wird?" Ich
schwieg. Nein, die Sache wurde nicht langsam lächerlich. Das war sie schon
lange. Ich
schwieg weiter. Wir waren schon im dritten Stock, die Fahrstuhltür ging
wieder auf. Wortlos ging ich an ihr vorbei und stieg aus. Sie stieg wutschnaubend
selbst aus, merkte ihren Irrtum und fing dann an, die Treppe hochzulaufen. Sehen
Sie, das mit dem Ignorieren funktioniert doch prächtig. Und das
ist die ganze Geschichte um die wilde Hilde. Ach so,
eins hätte ich fast vergessen. Und wenn
sie nicht gestorben ist, dann schreibt sie noch heute. |
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